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Creditreform

Mit fortschreitender Digitalisierung bewerten nicht nur Banken ihre Firmenkunden dahingehend, wie zukunftssicher deren Geschäftsmodell aufgestellt ist. Auch die Institute selbst sind mit neuen Technologien, verändertem Nutzungsverhalten der Kunden und Konkurrenz, aber auch Kooperationsofferten von Fintechs konfrontiert. Viele dieser Variablen werden das Verhältnis von Kunden und Bank nachhaltig verändern.

Mal wieder Google. Mit seiner Bezahl-App Google Pay macht der amerikanische Internetkonzern seit wenigen Monaten zum wiederholten Mal vor, wie es gelingt, neue Märkte zu erobern. Mit Google Pay können Kunden mit ihrem Android-Smartphone in Geschäften bargeldlos bezahlen. Googles Partner bei diesem Angriff auf etablierte Finanzdienstleister sind der Online-Bezahldienst Paypal und die Kreditkartengesellschaft Mastercard. Ein schlagkräftiges Trio: Google hat die Nutzer, Paypal wickelt den Zahlungsverkehr ab und Mastercard macht den Bezahlvorgang technisch möglich.

Das Beispiel zeigt gleichermaßen Herausforderung und Lösung für etablierte Banken. Neue Anbieter drängen auf den Markt und machen ihnen Geschäft streitig. Google Pay etwa haben bereits knapp eine halbe Million Nutzer heruntergeladen und installiert. Dabei tritt die Konkurrenz selten alleine auf, sondern schließt sich je nach Kompetenz in Kooperationen zusammen.

„Der digitale Strukturwandel erhöht den Druck auf traditionelle Unternehmen deutlich – so auch im Finanzsektor“, sagt Michael Strauß, Chief Digital Officer der KfW. „Vielen Banken droht, dass sie ihre Rolle als umfangreiche Finanzintermediäre in einigen Bereichen im B2C-, aber auch im B2B-Bereich weiter verlieren könnten.“

Das große Plus der Etablierten: die Kundenbeziehung

Hinzu kommt, dass die etablierten Institute zeitgleich viele weitere Herausforderungen lösen müssen: Strenger werdende regulatorische Vorgaben, das anhaltende Niedrigzinsumfeld und Veränderungen des Konsum- und Mediennutzungsverhaltens ihrer Kunden prallen intern auf unflexible Strukturen und langjährige Budgetplanungen. „Das zwingt Banken dazu, viele Ressourcen zu binden, die gerade jetzt im Zuge des digitalen Strukturwandels für frische Ideen, Impulse und innovative Geschäftsmodelle benötigt werden“, sagt Strauß. Dass sie dabei durchaus auch gewichtige Argumente auf ihrer Seite haben, stellt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland, klar: „Einen großen Vorteil, den Banken gegenüber Fintechs immer noch haben, ist die gewachsene langjährige Kundenbeziehung“, sagt er. Aus ihr ließen sich schließlich fortlaufend auch Impulse für neue und bessere digitale Dienstleistungen ableiten.
Und diese Kundenbeziehung macht Banken ihrerseits als Kooperationspartner für Fintechs attraktiv. Statt auf Konfrontation setzen viele Neulinge in der Finanzbranche inzwischen eher auf Zusammenarbeit mit den Etablierten. Ganz ohne Banken ist selbst Google nicht einfach in den Zahlungsverkehr eingestiegen. Kunden, die Google Pay nutzen möchten, benötigen neben dem Smartphone auch eine Master- oder Visa-Kreditkarte bei einer Partnerbank. Bisher etwa bei der Commerzbank oder der Comdirect.

Umgekehrt bieten Google und Co. Technologien, die für Banken interessant sind. Die Sparkassen etwa setzen bei ihrer Voice-Banking-Anwendung, bei der Kunden per Sprachbefehl Kontostände abrufen oder Überweisungen tätigen können, auf den Sprachassistenten Google Assistant. Sebastian Garbe, Abteilungsleiter Digitalisierung und Payment beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband ist überzeugt davon, dass Banken künftig vermehrt „den Schulterschluss mit anderen Anbietern und Plattformen suchen, um dem Kunden weiterhin ein bedürfnisgerechtes und fortschrittliches Angebot machen zu können“.

Veränderungsbereitschaft ist vorhanden

Auch Dominik Lamminger, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands Öffentlicher Banken, glaubt, dass die Digitalisierung für etablierte Banken mehr Chancen als Risiken berge. „Die beste Reaktion auf Veränderung ist es, sich selbst zu verändern. Die Digitalisierung wird die Prozesse im Kreditgeschäft effektiver und schneller gestalten“, sagt er. „Banken können dabei mit ihrer Kompetenz und ihrer langjährigen Beziehung zu den Kunden weiterhin eine gestaltende Rolle spielen.“ Gleichzeitig sind sich die Experten einig, dass sich die Kommunikation und die Zugangswege zu den Leistungen der Institute verändern werden. Viele sehen die Zukunft im Banking über Plattformen. Das zeigt auch der Blick auf andere Branchen, in denen sich die sogenannte Plattformökonomie innerhalb kürzester Zeit durchgesetzt hat. Zum Beispiel im Reisemarkt. Immer weniger Kunden buchen ihren Flug oder ihr Hotel noch im Reisebüro, sondern auf entsprechenden Buchungsplattformen.

„Bankprodukte sind Commodities, Handelswaren. Das heißt, Plattformen sind die Lösung“, sagt ING-Volkswirt Carsten Brzeski. Im Bereich des Zins- und Währungsmanagements etwa, ermöglichen Devisenplattformen die Abwicklung von Währungsgeschäften und werden bereits von Großunternehmen aktiv genutzt. Ein ähnliches Modell im Finanzsektor sind Vergleichsportale für Einlagezinsen – mit direkter Weiterleitung zum Anbieter der Wahl – oder aber Robo-Advisor, die für Anleger automatisiert eine Auswahl passender Investmentfonds treffen, auch von Drittanbietern.

Banking-Plattformen für Firmenkunden

Tim-Enno Janssen, Experte für Digitales Banking beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken beobachtet diese Entwicklung und erwartet, dass sich vergleichbare Anwendungen in den kommenden Jahren auch für Firmenkunden etablieren. „Nachdem in den vergangenen Jahren Privatkunden bereits deutlich stärker Lösungen des digitalen Bankings in Anspruch genommen haben, wird dieser Trend zunehmend auch bei Firmenkunden erkennbar“, sagt er. Janssen glaubt an eine deutliche Änderung der Kunde-Bank-Beziehung. Der Anteil der Kunden, die je nach Situation sowohl digitale Zugangswege als auch persönlichen Kontakt zu einer Bank oder einem Bankberater suchen, nehme deutlich zu.

Eine bereits funktionierende Anwendung im digitalen Firmenkundengeschäft beschreibt etwa Deutsche-Bank-Chefökonom Stefan Schneider: „Banken kooperieren im Bereich der Handelsfinanzierung, indem sie Kunden ermöglichen, über eine zentrale digitale Plattform Dokumentationen hochzuladen und Angebote verschiedener teilnehmender Banken einzuholen.“

Die Rechnung dahinter ist vergleichsweise einfach: Je komfortabler die Services zu nutzen sind, desto eher werden sie angenommen. „Über sogenannte APIs (Application Programming Interfaces), also Schnittstellen, werden sich viele transaktionale Bankprodukte von Drittanbietern einbinden lassen und zum Beispiel bei Firmenkunden direkt im ERP-System verfügbar sein“, erwartet Commerzbank-Chefökonom Ralph Solveen.

Bereits heute nehmen laut einer Umfrage der DZ-Bank gut 40 Prozent der Firmenkunden Banking-Plattformen in Anspruch. Als Gründe nennen Nutzer vor allem die schnelle Verfügbarkeit und Abwicklung von Geschäften sowie die daraus resultierende Zeitersparnis. „Nur zweitrangiger Beweggrund ist die Kostenersparnis gegenüber herkömmlichem Geschäft“, sagt Stefan Ortolf, Mittelstandsexperte bei der DZ Bank. „Wir richten uns auf ein Zielbild ein, in dem wir als Bank lieferfähig sind für Unternehmen, die Produkte verstärkt online nachfragen“ – allerdings ohne die Rolle des Firmenkundenbetreuers zu schwächen, der Unternehmen intensiver denn je beraten soll. Auch BVR-Digitalexperte Janssen schränkt ein, dass die Genossenschaftsbanken Technologien wie Chatbots, Robo-Advisor oder Voice Banking vor allem als „zusätzliche Möglichkeit für die Kunden sehen, neben der persönlichen Beratung in der Filiale, den Dialog mit der Bank zu führen“.