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Auch steuerlich versuchen Bund und Länder, die Liquidität von Unternehmen in der Corona-Krise zu sichern. Zu den in Katastrophenfällen üblicherweise vorgesehenen Vergünstigungen kommt sogar die Rückerstattung von Sondervorauszahlungen der Umsatzsteuer hinzu. Ein Erlass fälliger Steuerschulden ist dagegen bislang nicht vorgesehen.
In individuellen Härtefällen sieht die Abgabenordnung seit jeher mehrere abgestufte Billigkeitsmaßnahmen für alle Steuerarten vor.
Dabei sind die Grenzen für eine Stundung bis hin zum vollständigen Erlass fälliger Steuern allerdings eng gezogen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beschränken sich mögliche Korrekturen auf wenige Einzelfälle, in denen die strikte Anwendung der Steuergesetze nicht mehr mit dem eigentlichen Regelungszweck in Einklang steht.
Anders bei Katastrophen wie zum Beispiel dem Elbhochwasser oder zuletzt den Schäden durch Orkan Kyrill. In diesen Fällen gewährten die Finanzbehörden bereits in der Vergangenheit regelmäßig generelle und unternehmensübergreifende Vergünstigungen.
Je nach Ausmaß der Umsatzausfälle und Beschädigungen wurden die Finanzämter landes- oder bundesweit angewiesen, unbürokratisch Stundungen auszusprechen, übergangsweise auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten und die Kosten zur Beseitigung angefallener Schäden als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln.
Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie können Unternehmen diese Steuerhilfen jetzt erneut in Anspruch nehmen. Hier eine Übersicht der bei Redaktionsschluss (17. April 2020) neben anderen Soforthilfen (nicht rückzahlbare Zuschüsse, Kredite und Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld) möglichen steuerlichen Rettungsmaßnahmen:
Stundung
Steuerpflichtige Unternehmen, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind, können bis zum 31. Dezember 2020 beim für sie zuständigen Finanzamt Anträge auf Stundung bereits festgesetzter oder angemeldeter Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuerbeträge stellen.
Da die Stundungsanträge unbürokratisch und vor allem schnellstmöglich vom Finanzamt bearbeitet werden sollen, wird auf eine strenge Nachweisführung verzichtet. Entstandene Schäden müssen deshalb nicht im Einzelnen wertmäßig nachgewiesen werden; eine schlüssige Darlegung der finanziellen Einbußen reicht aus.
Zudem sollen die Finanzämter regelmäßig von einer Erhebung ansonsten üblicher Stundungszinsen absehen. Für die erforderlichen Anträge stehen im Internet stark vereinfachte Formulare zum Download bereit.
Wichtig: Bereits entrichtete Steuern werden nicht wieder ausgezahlt. Entsprechende Anträge werden von den Finanzämtern ausnahmslos abgelehnt. Gleiches gilt für Stundungsanträge für noch nicht entstandene Steuern (etwa: „Bitte um Stundung der gesamten Umsatzsteuer 2020“).
Gewerbesteuer
Stundungen der Gewerbesteuer sind nicht beim zuständigen Finanzamt, sondern bei der jeweiligen Gemeinde zu beantragen. Allerdings sind die Gemeinden nicht an die Weisungen des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. März 2020 gebunden.
Zeitgleich haben die obersten Finanzbehörden der Länder deshalb gleichlautende Erlasse hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus veröffentlicht.
Danach können die Finanzämter auf Antrag den GewSt-Messbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen herabsetzen. Bei der Festsetzung ihrer GewSt-Vorauszahlungen ist die betreffende Gemeinde dann daran gebunden (§ 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG).

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Unser Steuer-Experte: Bernhard Lindgens ist in der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn tätig. Zuvor war er im Bundesministerium der Finanzen für verschiedene Projekte in der Steuerfahndung und Betrugsbekämpfung sowie für den Datenzugriff der Finanzbehörden zuständig.
Herabsetzung von Vorauszahlungen
Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer bei Gewinneinbrüchen können nicht nur in Ausnahmesituationen gestellt werden. Im derzeitigen Krisenfall genügt es aber, wenn auf Basis der Gewinneinbrüche seit Jahresbeginn die voraussichtliche Steuerschuld für den Veranlagungszeitraum 2020 glaubhaft gemacht wird.
Wie bei Stundungen gilt auch hier: Anpassungsanträge dürfen vom Finanzamt nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können.
Vollstreckungsmaßnahmen
Bis Ende des Jahres brauchen Unternehmen bei rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern keine Vollstreckungsmaßnahmen zu befürchten.
Darüber hinaus sollen etwaige Säumniszuschläge vom 19. März bis zum 31.Dezember 2020 nicht erhoben werden. Im gleichen Zeitraum durch verspätete Zahlung bereits verwirkte Säumniszuschläge werden von den Finanzämtern erlassen.
Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung
Eine Dauerfristverlängerung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen um einen Monat hängt von der Zahlung einer Sondervorauszahlung (1/11 der Summe der Vorauszahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr) ab, die normalerweise erst bei der letzten Voranmeldung des Jahres angerechnet wird.
Um den von der Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen weitere Erleichterungen zu verschaffen, haben einige Bundesländer die bereits gezahlte Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für das Jahr 2020 auf Antrag, zum Beispiel über das ELSTER-Online-Portal, jetzt erstmalig bis auf 0 Euro herabgesetzt und erstattet.
Rechtsgrundlagen
BMF-Schreiben vom 19. März 2020 (Az.: IV A 3 -S 0336/19/10007 :002) zu den steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus (COVID-19/SARS-CoV-2).
Gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 19. März 2020 zu den gewerbesteuerlichen Maßnahmen.
„Hilfe vom Finanzamt in der Corona-Krise“
Die gemäß Erlass definierten steuerlichen Erleichterungen für Unternehmen, die von der Corona-Pandemie maßgeblich betroffen sind, stellen einen weiteren Baustein zur Sicherung der Liquidität dar. Diese können im Nachhinein allerdings kontraproduktiv wirken. Mit Ausnahme des Verzichts auf die Erhebung von Säumniszuschlägen bewirken Herabsetzungen und Stundungen lediglich eine Verschiebung der Zahlungspflichten in die nahe Zukunft. Die nachzuholenden Zahlungen sind zudem in einer Summe fällig und verteilen sich nicht auf die regulären monatlichen bzw. vierteljährlichen Zahlungsrhythmen. Ob sich die Unternehmen in dieser kurzen Zeit tatsächlich wirtschaftlich und liquiditätsmäßig schon wieder derart erholt haben, darf bezweifelt werden.
Außerdem wird das zugrundeliegende BMF-Schreiben offensichtlich nicht von allen Finanzämtern beachtet, wenn trotz Krisensituation bei einem Unternehmen in dessen erhaltene Corona-Soforthilfe vollstreckt wird (https://www.sueddeutsche.de/panorama/urteile-muenster-gericht-corona-soforthilfe-darf-nicht-gepfaendet-werden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200519-99-114200). Für die entstandenen Gerichtskosten darf dank einer wohl übereifrigen Finanzbehörde die Allgemeinheit aufkommen. Schade!
Als gelisteter Berater des RKW Hessen leiste ich gerne Beratungsunterstützung – besonders in der aktuell schwierigen Zeit. Wer möchte, kann sich gerne vertrauensvoll an mich wenden.
Herzlich, Ihr Holger Feick
Geschäftsführer HF Finanzconsulting GmbH
http://www.hf-finanzconsulting.de
Gut zu wissen, dass durch die Corona-Krise betroffene steuerpflichtige Unternehmen bis zum 31. Dezember 2020 beim für sie zuständigen Finanzamt Anträge auf Stundung bereits festgesetzter oder angemeldeter Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuerbeträge stellen können. Mein Neffe kennt den Betreiber eines örtlichen Unternehmens, der von der Krise betroffen wurde. Er wird diesem den Tipp über die Möglichkeit der Stundung von Steuerbeiträgen weiterleiten.