Mit dem geplanten Kleinanlegerschutzgesetz, das Mitte 2015 in Kraft treten soll, möchte die Bundesregierung auf die Prokon-Insolvenz reagieren und den Anlegerschutz auf dem so genannten Grauen Kapitalmarkt verbessern. Aber auch auf die Unternehmensfinanzierung im Internet durch Crowdinvesting, Crowdlending, reward-based Crowdfunding oder Pre-Sales werden die geplanten Regeln erheblichen Einfluss haben.
Als Kern des geplanten Gesetzes sollen zukünftig verschiedenste Anlageformen, die bisher nicht prospektpflichtig sind, den Regelungen des Vermögensanlagengesetzes unterworfen werden. Finanziert sich ein Unternehmen durch öffentliche Angebote von partiarischen Darlehen, Nachrangdarlehen oder „sonstigen Anlagen“, ist damit in Zukunft ein umfangreicher und teurer Verkaufsprospekt zu erstellen. Die Prospektpflichten, die bereits bisher etwa für Unternehmensanteile, Stille Beteiligungen und Genussrechte gelten, sollen erweitert werden. Daneben soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zusätzliche Befugnisse erhalten, etwa die Pflicht zur Prüfung, ob im Prospekt die Kapitaldienstfähigkeit „widerspruchsfrei“ dargestellt wird – ein kapitalmarktrechtliches Novum.
Ausnahme für Crowdinvesting
Um die Prospektpflicht nicht zu einer unüberwindlichen Hürde werden zu lassen, sollen für Schwarmfinanzierungen bestimmte gesetzliche Erleichterungen gelten. Der Emittent darf über eine Internet-Plattform insgesamt Vermögensanlagen im Wert von maximal einer Million Euro ausgeben, ohne dass die Prospektpflicht eingreift. In anderen europäischen Ländern liegt diese Grenze bei fünf Millionen Euro, was vor dem Hintergrund der erheblichen Transaktionskosten einer Prospektemission wirtschaftlich eher angemessen erscheint – umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Initiative der Regierung zum „Markt 2.0“ jüngst gescheitert ist.
Die reguläre Investment-Grenze pro Anleger und Emission liegt im nun veröffentlichten Regierungsentwurf des Gesetzes bei nur noch 1.000 Euro. Höhere Einzel-Investments von bis zu 10.000 Euro sollen möglich sein, wenn der Anleger gegenüber der Plattform eine Selbstauskunft abgibt. Eine Ausnahme für Business Angels und (semi-)institutionelle Investoren ist nicht vorgesehen. Diese werden daher zukünftig auf anderen Wegen in die gleichen Projekte und Unternehmen investieren wie Kleinanleger. Wie bereits das German Crowdfunding Network (GCN) in seiner Stellungnahme ausführt, erscheint die dadurch entstehende „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ der Investoren nicht als optimales Umfeld für den angestrebten Verbraucherschutz. Die gesetzlichen Erleichterungen für Crowdinvesting sollen außerdem nur für partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und „sonstige Anlagen“, nicht aber für andere Vermögensanlagen gelten, was im Verbraucherschutzinteresse ebenfalls schwierig nachzuvollziehen ist.
Auch beim Crowdinvesting muss der Emittent zukünftig ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) erstellen und bei Investments ab 250 Euro dem Anleger zur Verfügung stellen. Der Anleger muss dessen Erhalt durch seine Unterschrift bestätigen. Eine elektronische Bestätigung ist nicht vorgesehen, was bei Crowdfunding-Plattformen zu erheblichem zusätzlichem bürokratischem Aufwand führen wird.
Weitreichendes Werbeverbot
Neben der Erweiterung der Prospektpflicht soll die Bewerbung von Vermögensanlagen deutlich erschwert werden. Werbung soll außerhalb der Presse nur noch in Medien zulässig sein, die schwerpunktmäßig über wirtschaftliche Sachverhalte berichten. Dies kommt in den Sozialen Medien einem nahezu vollständigen Werbeverbot gleich – eine schwierige Situation für die noch junge Crowdfunding-Branche.
Auswirkungen auf Crowdlending
Das Crowdlending (Peer-to-Peer-Lending), also der Verkauf und die Abtretung von (Teil-)Darlehen, die ursprünglich von einer Bank ausgereicht worden sind, soll nach der Entwurfsbegründung von der Neuregelung nicht erfasst werden. Tatsächlich werden allerdings verschiedene gängige Strukturierungen nicht mehr prospektfrei möglich sein, wenn der Entwurf in der vorliegenden Form Gesetz wird.
Extrem weiter Anwendungsbereich durch Auffangregelung
Unter dem Begriff der „sonstigen Anlage“ sollen zukünftig auch Vertragstypen wie Kauf- oder Mietverträge als Vermögensanlagen gelten, wenn sie einen „auf Barausgleich gerichteten Anspruch vermitteln“, wenn etwa dem Investor ein Anspruch auf Rückverkauf eingeräumt wird. Diese neue Regelung kann für Direktinvestments in Sachgüter, aber auch bei der Strukturierung von reward-based Crowdfundings und sogannten Pre-Sales eine Rolle spielen (also dem Vorab-Verkauf eines noch nicht bis zur Marktreife entwickelten Produkts zur Finanzierung der Entwicklungskosten).
Diese sehr weit geratene Regelung wird zur Folge haben, dass verschiedenste, heute bankaufsichtsrechtlich nicht relevante Vertragsformen zukünftig strengen Regulierungen unterliegen, die bis zu strafbewehrten Folgepflichten aus Kreditwesengesetz und Wertpapierhandelsgesetz reichen. Verfassungsrechtlich erscheint dies nicht unbedenklich.
Fazit
Das Kleinanlegerschutzgesetz enthält weitreichende Regelungen, die auf den eigentlich förderungswürdigen Bereich der bankenunabhängigen Finanzierung erhebliche nachteilige Auswirkungen haben werden. Ob die angestrebten Verbraucherschutzziele mit den gewählten Mitteln erreicht werden können, bleibt demgegenüber abzuwarten. Moderne Verbraucherschutzkonzepte wie die „Investor Education“ oder interaktive Transparenzmechanismen, die in den Sozialen Medien einfach umzusetzen sind, bleiben unberücksichtigt.
Dr. Tobias Riethmüller ist Rechtsanwalt bei GSK Stockmann + Kollegen in Frankfurt am Main. Er berät seit 2008 Crowdfunding-Plattformen bei der rechtlichen Strukturierung.