Putzmeister, Saargummi, Medion, Kiekert, Aweco – die Liste der Übernahmen wird immer länger. Müssen deutsche Mittelständler Angst vor chinesischen Investoren haben?
Nein, ganz und gar nicht. Es gibt aus dem vergangenen Jahrzehnt, aus den Jahren seit der Jahrtausendwende, kein einziges Beispiel dafür, dass die chinesischen Geldgeber nur am Technologie-Transfer interessiert gewesen wären und nach der Übernahme einen lebendigen deutschen Standort plattgemacht hätten. Sie haben vielmehr bei allen wirtschaftlich notwendigen Restrukturierungen auch in schwierigen Jahren am Standort Deutschland festgehalten, frisches Kapital eingebracht und oft überfällige Neuinvestitionen finanziert.
Das von vielen unserer Leser befürchtete ‚Buy – transfer – close‘ gibt es also gar nicht?
Das Interesse der Firmen, die sich in Deutschland einkaufen, ist ganz anderer Natur. Sie haben einen langfristigen Investmenthorizont. Sie zählen meist zu den Marktführern in ihrem Segment, haben in den vergangenen zehn bis 20 Jahren gut am Wirtschaftsboom verdient und setzen jetzt – unternehmerisch klug – ihre globale Strategie um. Dafür benötigen sie ein europäisches Standbein. Die Angst um deutsche Arbeitsplätze ist daher unbegründet. Ein Austrocknen des deutschen Standorts, wie oft unterstellt wird, ergibt keinen Sinn – vor allem nicht bei gut geführten mittelständischen Unternehmen. Denn um wirtschaftlich von Nutzen zu sein, muss die Technologie fortlaufend weiterentwickelt werden – das setzt eine lebendige Produktion vor Ort voraus. Außerdem verlangen viele Kunden in Europa die direkte Lieferung vor die Haustür. Das ist oft aus der Ferne kaum zu bewerkstelligen.
Aber welche Rolle spielt der chinesische Staat?
Es entspricht nicht den Tatsachen, dass der Staat die meisten Übernahmen von langer Hand mitplant und gezielt finanziert. Der Staatskapitalismus in China lässt den Firmen in den allermeisten Fällen ein hohes Maß an Handlungsspielraum. Abgesehen von den großen Staatsunternehmen hat die Zentralregierung keinen direkten Zugriff auf die Firmen – und an sich auch keinen umfassenden Überblick. Und dass die chinesischen Auslandsinvestitionen nicht von langer Hand gelenkt werden, zeigt auch, dass gerade jene Regionen die Spitzenplätze bei den Auslandsinvestitionen belegen, in denen kein staatliches Förderprogramm für Auslandsinvestitionen besteht.
Warum ist das Image der Chinesen als Investoren dann trotzdem so schlecht?
Weil viele deutsche Unternehmer nicht auf die Fakten schauen. Die Chancen einer Zusammenarbeit mit einem neuen Partner aus Fernost sind groß. Das ist nicht der Ausverkauf der Deutschland AG. Renditestarke Perlen waren bei den bisherigen Ankäufen durch Chinesen selten dabei. Es handelt sich eher um Unternehmen, die einen neuen, strategisch ausgerichteten Eigentümer benötigten. Ohne ihn wäre der Bestand von vielen der gekauften Unternehmen auf lange Sicht nicht gesichert gewesen. Deutsche Firmen profitieren also vielmehr davon, dass die chinesischen Investoren Verluste aushalten können. Nicht selten hat die Übernahme durch chinesische Geldgeber eine Kehrtwende bei den Unternehmen hierzulande bewirkt. Beispiel Waldrich Coburg: Nach dem Einstieg von Beijing Machine Tool Nr. 1 vor acht Jahren ist die Mitarbeiterzahl beim Weltmarktführer für Portal-Fräsmaschinen um mehr als die Hälfte gestiegen.
Was können wir also von den Chinesen lernen?
Viele, die jetzt nach Europa kommen, haben sich in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld behauptet und haben den Boom in China optimal ausgeschöpft. Diese große unternehmerische Leistung sollte man anerkennen. Manche deutsche Firmen können von diesem Unternehmergeist lernen. Was die Chinesen auszeichnet, ist ihre starke Marktorientierung, Anpassungsfähigkeit und Mut zu strategischen Entscheidungen. Sie stellen sich flexibel auf Veränderungen im Markt und bei den Kunden ein und schrecken auch vor großen Investitionen nicht zurück – eine unternehmerische Eigenschaft, die einigen Firmen hierzulande abhandengekommen ist.
Die Fragen stellte Ingo Schenk