In Deutschland hat die Süddeutsche Zeitung zusammen mit dem Norddeutschen Rundfunk die insgesamt 2,5 Millionen Dokumente ausgewertet, die im Zusammenhang mit der Vermögensanlage in Steueroasen stehen. Laut Süddeutscher Zeitung umfasst das „Offshore-Leak“ Daten von mehr als 130.000 Personen aus über 170 Ländern, darunter auch die zahlreicher deutscher Staatsbürger. Der Datensatz war von einer anonymen Quelle unterschiedlichen Medien, in erster Linie Zeitungen in verschiedenen Ländern, zugespielt worden. In ihrer seit 4. April erscheinenden Reihe veröffentlichte die SZ bisher mehrere Beispielsfälle, unter anderem zu deutschen vermögenden Privatpersonen, Finanzinstituten und Beratern, die an verdächtigen Gründungen von Briefkastenfirmen und Trusts beteiligt gewesen sein sollen.
„Steueroasen“ im Fokus
Das bisher veröffentlichte Datenmaterial zeigt, wie Vermögenswerte über Offshore-Konstruktionen in Länder mit sehr niedrigen Steuersätzen und strengem Bank- und Firmengeheimnis bewegt wurden. Als „Steueroasen“ werden hierbei Gebiete bezeichnet, die keine oder im internationalen Vergleich besonders niedrige Steuern auf Einkommen oder Vermögen erheben. Die SZ berichtet hier über Offshore-Konstrukte beispielsweise auf den Cookinseln und den Britischen Jungferninseln. Nachdem also in den letzten Jahren zunehmend Daten-CDs von Schweizer Bankhäusern durch die deutsche Finanzverwaltung angekauft werden, scheint sich nun der Fokus der Öffentlichkeit und auch der Steuerverwaltung auf die „Steueroasen“ zu richten.
Vorverurteilungen vermeiden
Wichtig ist jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Berichterstattung der Medien. Es gilt, eine voreilige pauschale Vorverurteilung deutscher Steuerpflichtiger als Steuerhinterzieher zu vermeiden. Die beschriebenen Offshore-Konstruktionen und Trust-Modelle werden in nicht seltenen Fällen auch mit einem legalen Hintergrund, etwa zur einfachen Anonymisierung von Transkationen, verwendet — und erfüllen nicht zwangsläufig den Tatbestand der Steuerhinterziehung.
Um den Verdacht der Steuerhinterziehung belegen zu können, müssten die Pressestimmen nicht nur darlegen, dass etwa Scheinfirmen genutzt wurden, sondern auch, welche falschen Angaben in den Steuererklärungen der Verdächtigten gemacht worden waren. Mit Vorsicht sind auch voreilige Forderungen aus der Politik zu bewerten, die bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden zu verschärfen. Immerhin wurde 2009 gerade mit diesem Zweck das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz verabschiedet, das den Finanzbehörden verbesserte Ermittlungsbefugnisse einräumt.
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Ermittlungserfolge die Finanzbehörden aus den bisher veröffentlichten Details und zukünftigen Presseberichten generieren können. Immerhin besteht derzeit die Hoffnung, dass die Datenpreisgabe des „OffshoreLeak“ international zu einer koordinierten Steuerpolitik führt, die „Steueroasen“ in eine enge Zusammenarbeit einbindet und in der Folge zu einer gleichmäßigen und gerechteren Besteuerung auch international operierender Kapitalanleger führt.