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Creditreform

Volker Busch

Gesundheit ist Kopfsache, weiß Prof. Dr. Volker Busch. Er ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Professor an der Universität Regensburg. Als Arzt, Autor, Vortragsredner und Coach begleitet er Menschen auf dem Weg zu psychischer Gesundheit sowie zu Motivation und Inspiration für Beruf und Alltag. © Dr. Volker Busch

 

Nicht nur Geld verhält sich inflationär, einige Begriffe tun es auch. Zum Beispiel „Sinn“ oder „Purpose“. Sie werden inzwischen vielfach genannt als Voraussetzung für die wahre Motivation und Glückserfüllung für erwerbstätige Menschen des 21. Jahrhunderts. Die Arbeitsgesellschaft ist daher zurzeit kollektiv auf Sinnsuche. Aber sind Arbeit und Aufgaben nur noch befriedigend, wenn sie einem Purpose folgen?

 

Produkte, Geschäftsmodelle, Dienstleistungen, Arbeitsabläufe, all das soll heute sinnvoll sein. Viele Unternehmen haben die Kerntätigkeit ihres Geschäfts auf ihren Webseiten mit hohen Dosen Bedeutsamkeit aufgeladen. Purpose dringt aus allen Poren zeitgemäßer Jobbeschreibungen.

Dabei wird das Sinn-Konstrukt schnell zu einem Marketinginstrument. Im Internet las ich neulich die Stellenanzeige eines Waffenherstellers, der seine Jobs damit bewarb, dort könne man „Verantwortung für die Gemeinschaft“ übernehmen.

Sinnstiftungsbemühungen dergestalt sind nicht nur zynisch, sie sind auch aus motivationaler Sicht falsch. Natürlich verbinden sich Menschen emotional eher mit ihrer Tätigkeit, wenn sie gesellschaftlich bedeutsam ist. Aber dies ist keine Vorausbedingung für eine hohe Zufriedenheit am Arbeitsplatz!

Ein Job in der Altenpflege kann als wenig erfüllend erlebt werden, wenn man nicht selbstbestimmt handeln darf. Und umgekehrt kann die Tätigkeit in einem energie- und ressourcenintensiven Chemieunternehmen sehr befriedigen, wenn das Betriebsklima im Büro als wertschätzend und unterstützend erlebt wird. Im Arbeitsprozess ist das „Wie“ für die meisten Menschen nämlich viel lebensnäher als das „Warum“.

 

Sinn breiter begreifen

Tatsächlich hat „Sinn“ weniger mit Bedeutsamkeit zu tun als vielmehr mit einer allgemeinen Orientierung. Der Begriff leitet sich nämlich von dem altdeutschen Wort „sinnan“ ab und bedeutet so viel wie „in eine Richtung streben“ (deswegen bewegen sich Uhrzeiger auch im Uhrzeiger„sinn“).

Die Ziele in dieser Richtung sind ganz unterschiedliche Grundbedürfnisse. So finden wir unsere Arbeit sinnvoll, wenn wir uns in einer Gruppe oder einem Team aufgehoben fühlen, wenn wir uns als kompetent erleben und wenn wir Dinge (mit-)gestalten können.

Überstrapazieren wir den Begriff Sinn also nicht durch eine allzu heroische Metaphorik, sondern begreifen wir ihn breiter. Menschen können auch motiviert sein, ohne überall gleich die Welt mit ihrer Arbeit verbessern zu müssen. Schenken wir unseren Mitarbeitern im Arbeitsalltag Gemeinschaft, aktive Teilhabe und Entwicklungsmöglichkeiten. Sinnvoller kann eine zeitgemäße Führung kaum sein.