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© Hiroshi Watanabe/Getty Images

Jeder Mensch hat rund 100 Milliarden Gehirnzellen, doch niemand nutzt das gewaltige Potenzial annähernd aus. Die Trainingsmethode Life Kinetik verspricht, die grauen Zellen spürbar zu aktivieren.

 

„Günther“ – „Dorothea“ – „Heike“ – „Günther“ – „Berthold.“ Die Mitarbeiter der Kieler Kommunikationsagentur Das Amt stehen im Kreis und werfen sich einen blauen Ball zu. Dabei rufen sie „ihren“ Vornamen, allerdings nicht den echten, sondern den von Vater oder Mutter – eine kleine Zusatzaufgabe, um die Aufwärmübung zu erschweren. Kaum läuft die ­Sache einigermaßen, erhöht Trainer Matthias Bruhn die Schlagzahl. Ein zweiter, gelber Ball kommt ins Spiel. Den soll man weiterspielen und dabei ansagen, an wen dieser Ball als nächstes gehen soll. Während alle noch mit der neuen Herausforderung kämpfen, wirft Bruhn schon den dritten, roten Ball in die Runde mit dem Auftrag: Zum nächsten werfen und dabei rufen, von wem man selbst diesen Ball erhalten hat. Klingt simpel, geht aber erst mal gar nicht: Egal, ob 50 oder 25, Chef oder Werkstudent, PR-Profi oder Mediendesigner, Segler oder Basketballer – mit drei Bällen sind alle überfordert. Namen und Bälle fliegen durcheinander, begleitet von Grimassen und fröhlichem Gelächter.

 

„Jeder Mensch hat eine Schokoladenseite – ein stärkeres Auge, ein stärkeres Ohr, eine stärkere Hand oder einen stärkeren Fuß.“

Anja Fiedler, Personal- und Ausbildungsleiterin

Genau das will Matthias Bruhn erreichen: „Ihr seid hier, um zu scheitern“, sagt er, „nur wenn euer Gehirn auf ungewohnte Weise gefordert wird, kann es neue Synapsen bilden.“ Seit vier Jahren arbeitet der frühere Key Account Manager hauptberuflich als Life-Kinetik-Trainer. Entwickelt und markenrechtlich geschützt hat das Training für die grauen Zellen der Diplomsportlehrer und Gesundheitscoach Horst Lutz. Seine langjährige Arbeit mit Nachwuchstalenten und Leistungssportlern, darunter die deutsche Skinationalmannschaft oder der BVB Borussia Dortmund, brachte ihn auf die Idee, das Gehirn ähnlich wie einen Muskel durch Bewegungsübungen physisch zu trainieren.

Life Kinetik funktioniert deshalb nicht am Schreibtisch oder auf der Couch. Der „Denksport“ setzt auf nicht alltägliche Bewegungsaufgaben. Er kombiniert kognitive Herausforderungen und visuelle Aufgaben, beispielsweise verschiedenfarbige Bälle nach unterschiedlichen Regeln abspielen oder eine andere Person anhand von Farben oder Gesten durch den Raum lenken. Blau bedeutet links, grün rechts, einmal auf die Schulter tippen vorwärts, zweimal rückwärts – und dann alles genau andersherum. „Es geht nicht darum, einen neuen Bewegungsablauf perfekt einzuüben, sondern das Gehirn permanent zu fordern“, erklärt Bruhn. Das heißt: Wenn von zehn Versuchen fünf bis sechs gelingen, wird die Schwierigkeit erhöht oder zur nächsten Aufgabe gewechselt.

Pluspunkt der Methode: Life Kinetik basiert auf einfach zu erklärenden Übungen, erfordert weder teure Geräte noch besondere Fitness. Das Training eignet sich für alle Altersgruppen vom Schulkind bis zum Rentner. Auf seiner Website Lifekinetik.de führt Lutz wissenschaftliche Untersuchungen an, in denen ein positiver Effekt nachgewiesen werden konnte. Danach hilft Life Kinetik beispielsweise Schülern, sich besser zu konzentrieren und leichter zu lernen, Sportler können ihre visuelle Wahrnehmung, die Auge-Hand-Koordination und die Handlungsschnelligkeit steigern, ältere Menschen bleiben geistig länger fit. Viele Schulen, Sportvereine oder Alten- und Pflegeeinrichtungen bieten mittlerweile regelmäßig Life-Kinetik-Kurse mit lizensierten Trainern an.

 

Mehr Synapsen, weniger Stress

Ein gut trainiertes Gehirn zahlt sich nicht nur in der Schule oder beim Sport aus, sondern erst recht im Beruf: In vielen Jobs ist heute lebenslanges Lernen angesagt. Wer sich gut konzentrieren kann, aufmerksam und mit geschärften Sinnen durch den Tag geht, der kann zudem oft besser entscheiden und ist weniger gestresst. Studien zufolge wird beim Life-Kinetik-Training vermehrt Dopamin ausgeschüttet. Der Botenstoff wirkt motivationsfördernd und antriebssteigernd, umgangssprachlich wird er deshalb auch als „Glückshormon“ bezeichnet. „Viele meiner Kunden sind Freiberufler, Gründer oder Selbstständige, die durch das Training nicht nur beruflich mehr leisten können, sondern auch privat ruhiger und ausgeglichener sind“, erzählt Matthias Bruhn. In seinem Übungsraum im Kieler Innovations- und Technologiezentrum Kitz bietet er neben Gruppenkursen auch Personal Trainings für Kunden, die wenig Zeit und keine Lust auf eine offene Gruppe haben und bereit sind, 100 Euro pro Stunde für eine Privataudienz auszugeben.

So tief muss man für einen positiven Trainingseffekt nicht zwingend in die Tasche greifen: Gruppentrainings sind nicht nur deutlich günstiger, sondern auch viel lustiger. Sich spielerisch gemeinsam an ungewohnte Aufgaben zu wagen, stärkt den Zusammenhalt und sorgt für gute Stimmung im Team – ein Grund, weswegen immer mehr Firmen Life Kinetik im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Betrieblichen Gesundheitsförderung anbieten. So spendieren etwa die Stadtwerke Kiel seit einigen Jahren allen Auszubildenden im ersten Jahr einen 12-Wochen-Kurs: zum einen, um sie beim Lernen zu unterstützen, aber auch, um einen positiven Umgang mit neuen Herausforderungen und Misserfolgen zu trainieren: „Als Elektroniker muss man zu Beginn beispielsweise Drahtbiegeübungen ausführen, das erfordert Fingerfertigkeit und kann manchmal frustrierend sein“, sagt Ausbildungsleiterin Anja Fiedler. Life Kinetik verbessere die Feinmotorik und man lerne, nicht gleich aufzugeben, wenn ein Handgriff nicht auf Anhieb sitzt.

 

Dominante Körperteile gezielt nutzen

Als erfolgreiche Regatta- und Eisseglerin kennt Fiedler die positiven Effekte des Trainings aus eigener Erfahrung: „Jeder Mensch hat eine Schokoladenseite – ein stärkeres Auge, ein stärkeres Ohr, eine stärkere Hand oder einen stärkeren Fuß“, sagt sie. Life Kinetik helfe, die dominanten Körperteile zu erkennen und gezielter zu nutzen. Nicht nur im Wettkampf, sondern zum Beispiel auch, indem man in der Berufsschule oder an der Werkbank den optimalen Platz wählt. Zum anderen ließen sich Wahrnehmung und Reaktionsvermögen verbessern, indem man den jeweils schwächeren Part gezielt trainiere. „Ich bin absoluter Rechtshänder, aber durch Life Kinetik arbeite ich inzwischen auch unterbewusst viel mehr mit links“, sagt die erfolgreiche WM-Teilnehmerin (2019 belegte sie Platz 6). Vor Manövern müsse sie heute kaum noch den Kopf drehen, um die Lage zu erfassen – ein Vorteil, wenn sie mit bis zu 100 km/h übers Eis rast.

Carina Dethlefsen schätzt an Life Kinetik dagegen vor allem den Spaßfaktor. Als Leiterin der Abteilung Betriebliches Gesundheitsmanagement & Betriebliche Gesundheitsförderung bei der Dienstleistungsgesellschaft Nord in Flensburg bietet sie anderen Unternehmen Leistungen rund um das Thema Gesundheit an, etwa ergonomische Beratung am Arbeitsplatz, Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen oder Kurse zu Stressmanagement. Life Kinetik könne gut als ergänzendes Angebot zur Stressbewältigung in Unternehmen genutzt werden. „Dabei wird viel gelacht und ganz nebenbei die Gesundheit gefördert. Am besten einfach mal ausprobieren“, empfiehlt sie. Zum Beispiel bei einem Schnupperkurs oder als Team­event. So wie der Kieler Agentur Das Amt: „Ich hatte Life Kinetik zuvor schon mit meiner Familie ausprobiert und war gespannt, wie sich meine Kollegen schlagen“, sagt Co-Geschäftsführerin Meike Quentin: „Alle hatten ihren Spaß und ich habe im Team ein paar ganz neue Gesichtsausdrücke kennengelernt.“

 

Life Kinetik zum Ausprobieren

Professionelle Trainer empfehlen 60 Minuten Life Kinetik pro Woche. Zwei Übungen für Einsteiger:

 

Allein: Zwei Tennis- oder Jonglierbälle vor den Körper halten, Hände parallel, die Handrücken zeigen nach unten. Jetzt beide Bälle gleichzeitig hochwerfen, Hände überkreuzen und Bälle mit überkreuzten Händen fangen. Aus dieser Position Bälle wieder hochwerfen, Hände zurück in Ausgangsstellung und Bälle wieder auffangen.

Zu zweit: Einander gegenüber in drei bis vier Meter Entfernung aufstellen. Der Partner wirft einen Ball und ruft dabei, mit welcher Hand das Gegenüber ihn fangen soll. Parallel dazu das entgegengesetzte Bein nach vorne stellen. Wenn der Partner also links ruft, mit links fangen und rechts nach vorne stellen. Abwechselnd hin und herwerfen. Stufe zwei: Kommandos variieren – zum Beispiel mit der Seite, die fängt, auch nach vorn treten. Stufe drei: Wenn der Partner links ruft, mit rechts fangen und umgekehrt. Wer lieber mit Trainer üben möchte, findet Angebote auf lifekinetik.de unter dem Menüpunkt Trainer.