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Agilität ist ein Modewort, ein Managementansatz und eine Methode. Man kennt sie als Führungsmodell, gängige Empfehlung moderner Unternehmensberater und Erfolgsfaktor in Zeiten der schnelllebigen Digitalisierung und Industrie 4.0. Denn individualisiert gefertigte Produkte – möglichst sofort, bei niedrigen Kosten und hoher Qualität – benötigen flexible Strukturen und Prozesse. Doch wenn ein Fachterminus wie „Agilität“ zu so großer Bekanntheit gelangt, lohnt es sich, gelegentlich auf seine Bedeutungsgeschichte zurückzusehen und unterschiedliche Interpretationen im Sinn zu behalten, die im Laufe der Zeit an den Begriff herangetragen wurden. Was also bedeutet Agilität?

Am Anfang war die Veränderung

Lateinisch „agilis“ steht für: „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig.“ Im Kontext der Wirtschaft sprechen wir insbesondere von der „Fähigkeit einer Organisation, flexibel, aktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und Unsicherheit zu agieren“.

Dass aufwendig, linear geplante Prozesse mit abgeschlossenen Phasen im klassischen Projektmanagement zu großen Problemen führen können, wenn zu Beginn eines Projekts noch nicht alle Schritte exakt planbar sind, wird bereits seit den 1990er Jahren angeregt diskutiert. Damals fasste das Konzept einer „Business Agility“ erstmals in der IT Fuß. Unter dem Stichwort „Agile Softwareentwicklung“ machte die erste Sammlung inzwischen standardisiert angewandter agiler Praktiken für das Projektmanagement ihren Anfang. Von diesem Punkt ausgehend hat sich ein breites Spektrum an Methoden entwickelt, von denen Scrum eine der bekanntesten ist.

Agilität ist aber auch jenseits der Softwareentwicklung relevant und wird vielseitig diskutiert. Immerhin sorgen die zunehmend kürzeren Produktlebenszyklen, stark schwankenden Kundenanforderungen in den globalen Märkten und die steigende Komplexität der weltweit vernetzten Wertschöpfungsketten für brisante Schwierigkeiten, die es zu lösen gilt.

Von HR bis SCM

So findet der für Veränderungen aufgeschlossene Manager heute Ratgeberbeiträge mit agilen Lösungen für nahezu jedes Problem: Anpassungsfähigkeit als wettbewerbsentscheidender Faktor im Personalmanagement, Agilität als Führungskultur oder agile Methoden für das Projektmanagement. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Doch wie lässt sich konkreter fassen, mit welchen Maßnahmen ein Unternehmen jene so wichtige Anpassungsfähigkeit erlangen kann? Ansätze hierfür finden sich im immer wichtigeren Supply Chain Management, das Typologien für verschiedene mögliche Ausrichtungen einer Wertschöpfungskette hervorgebracht hat. Die sogenannte „agile Supply Chain“ taucht auch hier als ein besonders erstrebenswertes Modell auf, das in der Lage sein soll, hohe Produktvielfalt, variable Stückzahlen sowie individualisierte Leistungen bei kurzen Durchlaufzeiten und niedrigen Kosten steuerbar zu machen. Doch bei der hohen Komplexität heutiger Wertschöpfungsketten, bei denen die einzelnen Bestandteile eines Produkts oft tausende Kilometer über den Globus zurücklegen, wären effektiv geplante, agile Prozesse ohne moderne IT-Systeme gar nicht möglich.

Agilität im Mittelstand

Immer dann, wenn wichtige Fertigungsteile fehlen und die Produktion zu erliegen droht, Lieferengpässe aufgrund von Nachfrageschwankungen drohen oder eingehende Eilaufträge den mühsam erdachten Produktionsplan durcheinander werfen, ist Agilität gefragt. In solchen Situationen werden sich nur die Unternehmen erfolgreich behaupten, die reaktionsschnell auf diese unerwarteten Störungen reagieren können. Egal welchen Prozess ein Unternehmen agiler gestalten möchte, IT-Systeme bieten punktuell einsetzbare Werkzeuge, um zielgerichtet dort zu optimieren, wo Transparenz und Agilität wettbewerbsentscheidend sind. Damit bieten sie jedem Unternehmen den exakt passenden Ansatzpunkt. Unabhängig davon, ob es um die Agilität in einem einzelnen Prozess oder der ganzen Supply Chain geht.

So hat sich beispielsweise die Heinrich Georg GmbH Maschinenfabrik mit Hauptsitz im siegerländischen Kreuztal für agile Optimierung durch ein Add-On-System entschieden. Denn im Bereich Sondermaschinenbau sind Einzelstücke oder Kleinstserien üblich, die mit den gängigen, für die Massenproduktion optimierten ERP-Systemen nur ungenügend erfasst werden. Das genutzte ERP-System bildet Stücklisten so ab, dass beim Montagestart die Verfügbarkeit aller Positionen gegeben sein muss. Da sich die Standmontage von Sondermaschinen aber über Tage oder Wochen hinzieht, können viele Teile auch später zufließen.

Darum mussten die Mitarbeiter die Feinplanung früher per Whiteboard, Excel und viel Teamkommunikation erledigen, um die Materialflüsse zu organisieren und mögliche Probleme festzustellen. Inzwischen überwachen intelligente Entscheidungs-Algorithmen alle Fertigungs- und Beschaffungsprozesse, damit während der Montage alle notwendigen Teile, Materialien und Ressourcen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Operativ kritische Fehlteile werden bereits Tage oder Wochen vorher angezeigt, so dass die Monteure und Disponenten frühzeitig reagieren können.

Agilität konkret

Durch die blitzschnell errechneten Entscheidungsoptionen auf Basis von Algorithmen aus Operations Research (OR) und Fuzzy Logic kann ein Unternehmen schneller auf Änderungen reagieren und ist dem Wettbewerb damit häufig voraus. Treten Störungen innerhalb der Betriebsabläufe auf, schlagen die Systeme automatisch Handlungsalternativen vor und berechnen, ob sich eine situative Umplanung für das Unternehmen lohnt. Agilität ist darum mehr als nur ein philosophischer Ansatz oder eine ausgeklügelte Methode. Sie ist ein Werkzeug, das sich konkret mit moderner Technologie unterstützen lässt und signifikante Ergebnisse hervorbringt.