Die zunehmenden Anforderungen der EZB in der Bankenaufsicht zum Beispiel im Meldewesen (Anacredit) wird zukünftig die Kreditbereitschaft gegenüber dem Mittelstand belasten. Was müssen Mittelständler wissen, was können sie tun?
Dass nach der Finanzkrise 2008/2009 die Bankenregulierung verschärft werden sollte, war gesellschaftlicher und auch unternehmerischer Konsens. Im Mittelstand gehen wohl die meisten Unternehmen davon aus, dass dieses Thema sie nichts angeht – es ist ein Thema der Kreditinstitute.
Diese Einschätzung könnte aus drei Gründen zunehmend (!) trügen:
- Bereits Basel III mit den steigenden Anforderungen an das Eigenkapital der Institute kann die Kreditbereitschaft einzelner Banken und Sparkassen reduzieren! Nämlich dann, wenn diese Institute bis Ende 2018 noch weiter Eigenkapital aufbauen müssen, um die Basel III-Anforderungen zu erfüllen. Ein Weg dazu heißt nämlich: Risiken abbauen, keine weiteren Risiken eingehen. Damit sparen die Institute Eigenkapital.
- Die anhaltende Tiefzinspolitik der EZB wird speziell bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken in den Jahren 2015-2017 zu Ertragsrückgängen von 20 – 30 % führen. Das ist alleine über Kosteneinsparungen nicht zu kompensieren. Konsequenz: Die Institute werden sich weniger Kreditrisiko leisten können.
- Die Bankenregulierung selber treibt mittlerweile „seltsame Blüten“. Dass die EZB die 120 wichtigsten und systemrelevanten Institute europaweit beaufsichtigt – das ist bekannt und interessiert die Mittelständler meist nicht weiter. Aber: Die Kompetenz der EZB reicht eben doch bis zur kleinsten Genossenschaftsbank und Sparkasse! Und zwar über das sogenannte „Meldewesen“. Dieses umfasst diverse regelmäßige Meldungen an die Bankaufsicht zu Ertrags-, Vermögens- und Liquiditätslage der Institute. Einen aktuellen Überblick gibt ein Beitrag in der BankInformation 08/2015 der Genossenschaftsbanken. Ein Aspekt dieses Meldewesens betrifft Sie als Unternehmer/in selber:
Das neue Meldewesen und der Mittelstand
Nach dem deutschen Kreditwesengesetz (KWG) melden die deutschen Kreditinstitute seit Jahrzehnten vierteljährlich ihre sog. „Millionenkredite“ (Kreditnehmer mit einem gesamten Kreditvolumen ab 1 Mio. Euro) inklusive der Bewertung im Rating an die Bundesbank und erhalten von dort eine Rückmeldung, wenn dem gleichen Kunden von anderen Instituten ebenfalls Kredit von 1 Mio. Euro und mehr eingeräumt wurde (§ 14 KWG). Auch dies wird viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Mittelständler kalt lassen, weil sie sich nicht betroffen sehen.
Die EZB bereitet jetzt aber mit der Verordnung „Analytical Credit Datasets“ (Anacredit) eine Ausweitung dieser Meldepflicht auf alle Kredite ab einer Größenordnung von € 25.000 vor! Und zwar soll die Meldung pro Kredit ca. 150 einzelne Datensätze enthalten. Hintergrund: Die EZB möchte ein europaweites Benchmarking aufbauen. Aktuell wird sogar diskutiert, gar keine Meldeschwelle vorzusehen – also alle (!) Kredite zu erfassen (Handelsblatt vom 12.08.2015).
Damit wird die Kostenbelastung der Institute weiter steigen. Und in der Konsequenz gerade für kleinere Häuser der Fusionsdruck. Weitere Konsequenz: Die Zahl potenzieller Kreditgeber für den Mittelstand sinkt.
Aber fragen Sie sich als Unternehmer/in bitte selber: Möchten Sie, dass über Ihre Kredite diese Datenmenge an die EZB gemeldet wird? Ggf. mit Rückmeldungen? Spannende Frage: Wie steht es da eigentlich mit dem Datenschutz? Müssen Sie der Meldung zustimmen? Erhalten Sie eine Information, was da über Sie und Ihr Unternehmen gemeldet wird?
Nächste Frage: Ist das Ganze überhaupt sinnvoll? Was macht die EZB mit dieser Datenflut? Ist ein Benchmarking über alle Institute überhaupt sinnvoll? Die Bankstrukturen in den einzelnen europäischen Ländern sind vollkommen unterschiedlich. Nehmen Sie nur Deutschland mit den drei Säulen gegenüber Grossbritannien mit einem Oligopol aus einigen wenigen Gross-Instituten.
Und noch eine Frage: Im deutschen Bankaufsichtsrecht ist der Grundsatz der Proportionalität verankert. Das heißt: Umfang und Intensität der Aufsicht und deren Aktivitäten sollen in einem Verhältnis zu Geschäftsumfang und Komplexität der Geschäfte der Institute stehen. Das was die EZB hier vorhat, tritt jede Proportionalität mit Füssen!
Was sind die Konsequenzen für KMU und Mittelständler?
Haben Sie von Ihren Verbänden und Kammern dazu schon etwas gehört? Vielleicht sollten wir besonders die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei ihrem Bemühen, wenigstens die größten Belastungen zu vermeiden, unterstützen und entsprechend Lobbyarbeit in der Politik betreiben. Denn denken Sie an die drei zu Anfang genannten Belastungen: In der Summe werden diese in den kommenden Jahren die Kreditversorgung des Mittelstandes beeinträchtigen – auch wenn Sie heute in Ihrem Unternehmen davon noch nichts merken.
Und individuell in Ihrem Unternehmen: Überprüfen Sie Ihre Finanzierungsstrategie. Und diversifizieren Sie Ihre Finanzierungsbasis. Und beginnen Sie damit in einer Zeit, wo Sie „eigentlich“ keinen weiteren Kreditbedarf haben. Denn wenn (deutlicher) Kreditbedarf vorhanden ist, könnte Ihre Verhandlungsposition schwächer sein.
Nachtrag vom 23.01.2016:
Im Genossenschaftsblatt 06/2015 wird ausführlich über AnaCredit berichtet. Danach ist eindeutig: Mit dem Start 2018 werden zuerst die Unternehmenskredite mit gemeldet werden müssen: „.. an juristische Personen sowie an die öffentliche Hand in nicht anonymisierter Form zu melden“.
Damit sind alle Unternehmen an € 25.000 Kreditsumme in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft also zum Beispiel als UG und GmbH mit dabei.
Einzelkaufleute und Personengesellschaften sollen danach ab 2020 anonymisiert folgen – laut EU-Verordnung. In dem Beitrag wird erwähnt, dass national eine frühere Meldepflicht diskutiert wird.
Und auch bei anonymisierter Meldung bleibt die Frage: Wie will die Bundesbank dann die Inanspruchnahmen bei mehreren Banken zusammenführen – und gerade darum geht es doch?!
Eine Ergänzung noch: Die Banken haben in den letzten Jahren eine Risikoaversität entwickelt die sie nicht davon abhält auch auf „gute Geschäfte“ zu verzichten – die Unkalkulierbarkeiteb für Unternehmen nimmt zu. Insoweit rate ich den Unternehmen alle denkbaren „Hausaufgaben“ zu machen um damit Schwachstellen im Unter-nehmen frühzeitig zu entdecken, diese zu reduzieren um ein hohes Maß an „Bankenunab-hängigkeit“ zu erreichen und bei Finanzierungsge-sprächen sicher zu sein.
Uns hat im Zusammenhang mit AnaCredit die Frage interessiert, wer Zugriff auf die erhobenen Daten hat. Unsere Anfrage direkt bei der Bundesbank ergab: die Bundesbank selbst und der Ausschuss für Finanzstabilität. Auf europäischer Ebene sind es die EZB und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken: http://www.kreditvergleich.net/ratgeber/banken/ezb-projekt-anacredit/#Daten