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Creditreform

Kein Abitur, keine Staatsexamina, keine Tätigkeit als Juristin: Der Fall der Essener Bundestagsabgeordneten Petra Hinz hat nicht nur im politischen Berlin für Aufsehen gesorgt – die Debatte wegen falscher oder übertriebener Angaben im Lebenslauf oder im Bewerbungsgespräch ist wieder in den Vordergrund gerückt. Während dem Bewerber bei manchen Fragen ein zulässiges Recht auf Lüge zusteht und eine gewisse „Schönfärberei“ nicht beanstandet werden kann, kann das bewusste Vortäuschen von wahrheitswidrigen Sachverhalten weitreichende Konsequenzen haben.

Um den richtigen Mitarbeiter für eine Stelle auszuwählen, möchte der Arbeitgeber ein vollständiges Bild vom Bewerber erhalten. So hat der Job-Kandidat grundsätzlich auf legitime Fragen bezüglich Aus- und Weiterbildung, fachlicher Qualifikation und Berufsstationen wahrheitsgemäß zu antworten. Unzulässige Fragen wie nach einer Schwangerschaft darf der Bewerber hingegen gar nicht oder nicht wahrheitsgemäß beantworten, da sie mit dem Arbeitsverhältnis nicht in engerem Zusammenhang stehen. Auskünfte zur Konfession oder zu etwaigen Vorstrafen sind nur zu machen, wenn sie mit dem Arbeitsverhältnis unmittelbar zusammenhängen.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber bei Manipulation?

Erkennt der Arbeitgeber vor der Einstellung die Manipulation, folgt in aller Regel eine Absage. Stellt ein Unternehmen die falschen Angaben hingegen nach der Einstellung und mitunter erst nach mehreren Jahren fest, können die Konsequenzen folgenschwer sein. Dann stehen dem Arbeitgeber die folgenden Instrumente zur Verfügung:

1. Anfechtung des Arbeitsvertrages

Der mit dem Bewerber geschlossene Arbeitsvertrag kann wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft oder arglistiger Täuschung angefochten werden. Als verkehrswesentliche Eigenschaft gelten z.B. Mängel hinsichtlich der fachlichen Vorbildung als notwendige Voraussetzung für die Erbringung einer Arbeitsleistung – so ist etwa ein juristisches Staatsexamen für eine Juristentätigkeit erforderlich. Arglistige Täuschung ist hingegen das Vorspiegeln falscher oder das Unterdrücken wahrer Tatsachen, etwa einer bestimmten Note. Der Arbeitgeber muss dann darlegen, dass er bei voller Tatsachenkenntnis – also den falschen Angaben – mit dem Arbeitnehmer keinen Arbeitsvertrag geschlossen hätte. Dies wird in der Praxis regelmäßig gelingen, etwa wenn die ausgeschriebene Stelle zwingend eine bestimmte Note als Voraussetzung hatte. Eine Anfechtung ist binnen eines Jahres bzw. bei Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, unverzüglich, nach Kenntnis der Anfechtungsgründe möglich.

Rechtsfolge der Anfechtung ist grundsätzlich die rückwirkende Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses. Durch den Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis kann der Arbeitgeber sich jedoch nur für die Zukunft vom Arbeitsverhältnis lösen und in der Vergangenheit gewährtes Arbeitsentgelt nicht zurückfordern.

2. Kündigung

Der Arbeitgeber kann nach Kenntnis der gefälschten Angaben das Arbeitsverhältnis kündigen. In Betracht kommt eine ordentliche personen- oder verhaltensbedingte Kündigung. Nach Auffliegen der Fälschungen wird in vielen Fällen wegen der Unzumutbarkeit am Festhalten des Arbeitsverhältnisses auch eine außerordentliche Kündigung rechtens sein. Arbeitgeber müssen hier die zweiwöchige Frist ab der Kenntnis über die Manipulation beachten.

3. Schadensersatz und strafrechtliche Auswirkungen

Gegebenenfalls ist auch ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer möglich, etwa wenn der Bewerber durch ein gefälschtes Zeugnis den Arbeitsplatz erschlichen hat und der Arbeitgeber konkrete Aufwendungen wie zusätzliche Ausbildungskosten und das Gehalt nachweisen kann. In strafrechtlicher Hinsicht kann unter anderem ein Betrug sowie bei unbefugter Führung akademischer Grade und Titel ein strafbarer Titelmissbrauch gegeben sein.

Fazit

Obwohl dem Arbeitgeber taugliche Instrumente zur Verfügung stehen, sollte er falsche Angaben möglichst schon in der Bewerbung entdecken. Hierzu kann eine sorgfältige Prüfung der Unterlagen auf Ungereimtheiten, das Einholen von Referenzen, das Anfordern von Originalen der Zeugnisse oder eine Recherche im Internet dienen. Auch Vorstellungsgespräche mit professioneller Interviewtechnik können helfen, Lügen vor der Einstellungsentscheidung zu entlarven.