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Bundesarbeitsminister Heil hat ein Konzept für eine Grundrente vorgelegt, das weit über die im Koalitionsvertrag vereinbarte Rentenaufstockung für Bezieher kleiner Altersrenten hinausgeht. Gelingt es der Partei so, ihr sozialpolitisches Profil zurück zu gewinnen? Ein Blick in die Details nähert Zweifel, denn begünstigt wären auch Wohlhabende, während Geringverdiener über Steuern und Abgaben mit zur Finanzierung herangezogen würden. Belastet wären vor allem die Jüngeren.
Leistungsgerechtigkeit ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft – auch mit Blick auf die Rente. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, erhält im Alter mehr als andere, auf die das nicht zutrifft. Wer Vollzeit arbeitet, erhält mehr als jemand, der im gleichen Beruf nur in Teilzeit tätig war. Die gesetzliche Rente orientiert sich bislang an diesem Prinzip. Die sogenannte Respektrente setzt sich jedoch darüber hinweg und subventioniert Teilzeittätigkeit massiv.
Ein Beispiel: Wer 35 Jahre lang 40 Prozent des durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelts verdient hat, erhält aktuell in Westdeutschland rund 448 Euro Rente pro Monat. Nach den Plänen von Minister Heil soll diese Rente auf etwa 900 Euro aufgestockt werden. Damit bekäme dieser Rentner ebenso viel wie jemand, der in den vergangenen 35 Jahren 80 Prozent des Durchschnittsentgelts verdient hat. Die vorgebliche Respektrente ist folglich respektlos gegenüber dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit.
Darüber hinaus unterscheidet sie nicht zwischen einer Alleinstehenden, die tatsächlich wenig hat, und einer Arztgattin, die über den Partner abgesichert und vermögend ist. Letztlich kommt es auf das Haushaltseinkommen an. Die Respektrente verzichtet aber auf eine – dringend gebotene – Prüfung der Haushaltsverhältnisse, allein schon weil die Rentenversicherung dazu bislang gar nicht in der Lage ist. Auch das Gebot der Fairness, dass eine Vollzeittätigkeit zu einer höheren Rente führen sollte als eine vergleichbare langjährige Arbeit in Teilzeit, lässt sich mit dem aktuellen Datenbestand der Rentenversicherung nur schwer in die Praxis umsetzen. Vielleicht auch aus diesem Grunde möchte der Bundesarbeitsminister auf diese Unterscheidung ganz verzichten, provoziert damit aber nicht nur den Unmut von Vollzeit-Geringverdienern, sondern weckt auch Zweifel an der Verfassungsgerechtigkeit seines Vorschlags.
Im Grundsatz stimmt die Statik unserer Alterssicherung
Die berechtige Forderung „Wer lebenslang gearbeitet hat, soll auch ein faires und angemessenes Einkommen im Alter haben“ muss gesellschaftlich dort beantwortet werden, wo sie hingehört: bei der Grundsicherung im Alter. Weniger als drei Prozent der Rentner beziehen derzeit im Alter diese Sozialleistung; in allen anderen Altersklassen ist die Bedürftigkeit – teils deutlich – höher. Im Grundsatz stimmt also die Statik unserer Alterssicherung.
Damit das so bleibt, muss die Politik andere Themen in den Blick nehmen: Um Altersarmut effektiv entgegenzuwirken, braucht es Beschäftigungsentwicklung, Bildung und Qualifizierung, und zwar während der Erwerbsphase. Danach sind lediglich Korrekturen früherer Fehler möglich. Bei den vorliegenden Grundrentenplänen werden aber mehr Fehler gemacht als korrigiert: Die erforderlichen 35 Beitragsjahre dürften die meisten Berechtigten schon lange vor dem 63. Lebensjahr erreicht haben. Eine Arbeit bis zum aktuellen Rentenalter von 65 Jahren und 8 Monaten lohnt sich gerade für Teilzeitbeschäftigte kaum, wenn sie in jedem Fall ab 63 abschlagsfrei mit 900 Euro Rente kalkulieren können. Die Respektrente würde voraussichtlich zu einer neuen Frühverrentungswelle führen; in diesem Fall anders als bei der Rente mit 63, dem teuren und unsinnigen Rentenpaket aus der letzten Legislaturperiode, vor allem bei Teilzeitkräften. Angesichts der bevorstehenden Verrentung der starken Babyboomer-Jahrgänge und der damit einhergehenden Verknappung von Arbeitskräften kann sich Deutschland aber nichts weniger leisten als neue Frühverrentungsanreize.
Die Jüngeren werden stark belastet
Auf die entscheidenden Fragen findet die Respektrente keine befriedigende Antwort, denn sie ist nicht in der Lage, wirksam vor Altersarmut zu schützen, und führt partiell zu einer Umverteilung von unten nach oben. Gleichzeitig belastet sie jüngere Generationen mit ihrem Gießkannenansatz unangemessen stark – und das, obwohl die Jüngeren durch die demografische Entwicklung ohnehin große Lasten schultern müssen. Das ist zutiefst ungerecht.
Zum Autor:
Prof. Michael Hüther, geboren am 24.04.1962 in Düsseldorf, absolvierte von 1982 bis 1987 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften sowie der mittleren und neuen Geschichte an der Uni Gießen. 1991 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und 1995 Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahr 1999 wechselte er als Chefvolkswirt zur DekaBank und wurde dort 2001 zum Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation ernannt. Seit August 2001 ist er Honorarprofessor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Seit Juli 2004 ist er Direktor und Mitglied des Präsidiums beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
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