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Für Einkaufschefs ist der Fachkräftemangel keine Mediendiskussion, sondern bereits bittere Realität. 40 Prozent glauben, zu wenige Talente zur Besetzung künftiger Vakanzen in den eigenen Reihen zu haben. Ein Fünftel ist sogar der Ansicht, über keinerlei Talente zu verfügen. Doch gleichzeitig stecken Talent Management und langfristige Mitarbeiterentwicklung weiterhin in den Kinderschuhen. Unternehmen müssen jetzt reagieren.

Im Personalbarometer Einkauf 2015 von Penning Consulting und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) haben wir insgesamt 78 Einkaufschefs deutscher, überwiegend mittelständischer Unternehmen befragt. Und der Tenor ist eindeutig: Fast zwei Drittel der von uns befragten Führungskräfte haben die Herausforderung, dass es ein zu geringes Angebot an Fach- und Führungskräften auf dem Arbeitsmarkt gibt, als eher hoch beziehungsweise hoch bewertet. Und gleichzeitig zugegeben, intern keine oder zumindest nicht ausreichend Kandidaten aufgebaut zu haben.

Dabei macht sich der Fachkräftemangel an vielen Stellen bemerkbar. So berichten die Einkaufschefs davon, dass die Gehälter aufgrund der geringeren Anzahl an Talenten am Markt steigen (65 Prozent), gleichzeitig aber die Qualität der Bewerbungen sinkt (50 Prozent), insgesamt weniger Bewerbungen eintreffen (37 Prozent) und häufiger Vertragsangebote von Kandidaten abgelehnt werden (32 Prozent). Als logische Konsequenz steigt die Fluktuation bei einem Viertel der Studienteilnehmer.

Nun rächt es sich, dass viele Mittelständler nicht ausreichend in Talent- und Nachfolgemanagement-Prozesse investiert haben. Dies geben sie in unserer Studie unumwunden zu. Nur jedes fünfte Unternehmen hat einen jährlich stattfindenden Nachfolgemanagement-Prozess, und nur bei jedem vierten bildet ein solcher Prozess die Grundlage für die Neu- und Nachbesetzung von vakanten Positionen. Der Großteil erfüllt schon die Grundvoraussetzung zur gezielten Talent-Förderung nicht: Zwei Drittel gestehen, dass es sowohl im Unternehmen als auch in ihrer Einkaufsabteilung kein einheitliches Verständnis darüber gebe, was genau ein Talente auszeichnet. Wer jedoch gar nicht weiß, was die eigenen Mitarbeiter können, kann deren Defizite auch nicht gezielt ausgleichen und ihre Stärken fördern. Sprich: Er wird das Potenzial der Mitarbeiter nie erschließen können. Und verschärft damit sein Fachkräfte-Problem.

Was können Unternehmen jetzt tun?

Es ist unverzichtbar, ein professionelles Talent- und Nachfolgemanagement einzuführen. Dieses beginnt bei einer Definition, was unter Talent zu verstehen ist, der Etablierung eines strukturierten Talent-Identifikationsprozesses, in der das Potenzial, Kompetenzen und Performance bewertet werden, über die systematische Entwicklung und Förderung der spezifischen Talentfaktoren bis hin zur genauen Bestimmung von Nachfolgerisiken. Dies schafft Transparenz und die Möglichkeit, mit gezielten Maßnahmen den Fachkräftemangel im eigenen Unternehmen zu beseitigen.

Entscheidend für das Gelingen dabei sind die Positionierung und das Selbstverständnis der Führungskräfte. Diese müssen künftig als Talent-Manager Verantwortung übernehmen für die Weiterentwicklung ihres Mitarbeiterportfolios. Das bedeutet: Stärken und Schwächen der Mitarbeiter auf Ebene der Persönlichkeit und Fachkompetenz zu identifizieren, die Ursachen für Lernfelder herauszuarbeiten und durch gezieltes Coaching im Tagesgeschäft Weiterentwicklung on-the-job zu ermöglichen. Darüber hinaus gilt es strukturell Mitarbeiterentwicklungsprogramme einzuführen, in denen Talente gezielt gefördert sowie die Rollenbilder der Mitarbeiter entsprechend ihrer Talente zugeschnitten werden.

Wenn die Führungskräfte sich auf diese Tätigkeiten fokussieren, führt dies nicht nur zur langfristigen Förderung der Talente und Potenzialentfaltung, sondern auch kurzfristig zur Steigerung der Performance – in Einkaufsabteilungen zum Beispiel an der unmittelbaren EBIT-Wirksamkeit von Einsparungen ablesbar. Unternehmen, die eine solche Führungskultur etablieren, können in weniger als einem Jahr deutlich sichtbare Erfolge erzielen. Darum sollten sie jetzt damit anfangen.