Gründungen im Innovations- oder Technologiebereich sind oft sehr kapitalintensiv und benötigen deshalb erhebliche Summen an finanziellen Mitteln. Solche Vorhaben sind oftmals abhängig von Beteiligungskapital bzw. Risikokapital, welches aus Fördermitteln gestellt wird. Klassische Banken sind in der frühen Phasen solcher Vorhaben nur sehr schwer bis eigentlich gar kein Partner, weil keine ausreichende Bonität und keine ausreichenden Sicherheiten bei dem Technologie- bzw. Innovationsunternehmen vorhanden sind.
Für diese (Unternehmens-) Phasen der Finanzierung gibt es andere Finanzierungspartner, die auch andere Vorgehensweisen und ein anderes Anspruchsverhalten haben. Eine Lösung ist die Aufnahme von Beteiligungskapital durch Fördermittel.
Ich selber nutze lieber den Begriff „Chancenkapital“, weil das Beteiligungskapital unter anderem eine Chance auf erhöhten Gewinn der Investoren (z.B. öffentliche Beteiligungsgesellschaften) verursachen kann. Es stellt auch die Chance für das Vorhaben bzw. die Gründer dar, das mit erheblichen Risiken behaftete Vorhaben (z.B. die erste innovative oder technologieorientierte Gründung) zu realisieren.
An dieser Stelle kann man auch den klaren Unterschied zwischen einer Bankfinanzierung und den öffentlichen Fördermittel-Beteiligungsgesellschaften oder den mit Fördermitteln gestützten Beteiligungsfonds erkennen. Banken sehen primär auf die Bonität und die Sicherheiten, weil der Kredit zurückgeführt werden muss. Öffentliche Beteiligungsgesellschaften dagegen blicken primär auf die Chance des Vorhabens den Markt (mit) zu verändern oder zumindest das eingesetzte (Fördermittel-) Kapital mit einer wesentlichen höheren Rendite zurückzubekommen. Dieses Beteiligungskapital ist oftmals der einzige Weg, um das Vorhaben aus der Gedanken- und Ideenphase in die Umsetzung zu führen.
Gründung ist nicht gleich Gründung, weil es „die Gründung“ nicht gibt. Sprechen wir lieber mal von der Unternehmensphase in dem sich ein Vorhaben einer Gründeridee befindet. Für die verschiedenen Unternehmensphasen gibt es unterschiedliche Anbieter von Fördermitteln.
Um die klare Abgrenzung der Phasen von Wachstumsmodellen für „klassische“ Unternehmen von den Phasen im Gründungsbereich zu schaffen, stelle ich hier das (klassische) Wachstums-Phasenmodell bei Unternehmen, nach Pümpin und Prange (1991) vor. Die Phasen folgend aufeinander und Unternehmenseinwirkung ist gering:
- Pionierphase
- Wachstumsphase
- Reifphase und
- Wendephase.
Bei Gründungsvorhaben (von Unternehmen bzw. von Gründerpersonen) ist die Pionierphase weiter unterteilt. Es ist somit anders, als bei klassischen Wachstumsmodellen. Dies wiederum deshalb, weil die sehr breite „Gründungsphase“ sehr unterschiedliche Investitionssituationen und Finanzierungssituationen verursacht. „Breit“ ist diese Phase deshalb, weil es manchmal Monate bis Jahre braucht, um eine Gründungsidee zu entwickeln. Dabei denke ich nicht an die Entwicklung von einem Prozess, einem Produkt oder einer Dienstleistung.
Ich denke an die benötigte Zeit, an die vielen Stunden, Tage, Wochen und Monate, die der Gründer oder das Gründerteam aufgewendet haben, um die Gründungsidee in Gedanken zu formen, in Gesprächen und Diskussionen die Vor- und Nachteile erörtert, Planspiele gemacht, mit Dritten einige Dinge gemeinsam analysiert. Da ist erstmal kein Kapital notwendig. Das Investment ist dann erstmal die Zeit, die Nutzung von Flächen in der häuslichen Garage (so wie die Gründer von Apple), vielleicht Material von Freunden und Bekannten. Vielleicht ist der oder einer der Gründer auch bei einem Arbeitgeber angestellt und kann dort für seine Gründeridee auf Labortechnik, oder Hard- und Software zugreifen, oder andere Ressourcen vom Arbeitgeber nutzen (nach Absprache und Erlaubnis). Vielleicht sind die Gründer noch im Studium und nutzen ein EXIST-Stipendium (das ist ein Förderprogramm).
Diese „breite“ Phase ist eine Untergliederung in der Pionierphase: Man kann die Pionierphase wie folgt definieren:
- Pre Seed Phase, Gründungsvorbereitung: Ideenfindung, erste Recherchen, Gespräch und Diskussion mit Dritten zum geplanten Vorhaben sind möglich, Businessplan (erster Entwurf) manche sagen auch die „Spinner-Phase“. ABER: Als Spinner wurden auch die Gebrüder Wright bezeichnet, die als erste ein motorisiertes und steuerbares Flugzeug entworfen, gebaut und in die Luft und auch gelandet haben. Vor Ihnen gab es bereits andere die das Thema „Fliegen“ auf der Agenda hatten. Aber bahnbrechend war die Möglichkeit motorisiert und gesteuert zu fliegen.
- Seed Phase: Finanzierung (!) der Ausreifung einer Idee in verwertbare Resultate bis hin zum Prototypen; darauf basierend wird ein Geschäftskonzept für ein zu gründendes Unternehmen erstellte (Quelle: KfW, BVK), Strukturaufbau, Personal, Businessplan (zweiter Entwurf), Technologieentwicklung, Proof of Concept
- Start-up Phase: Unternehmen befindet sich noch in der Gründungsphase, im Aufbau oder seit kurzem im Geschäft, Produkte werden noch nicht oder nicht in größerem Umfeld vermarktet (Quelle: KfW, BVK), Technologieoptimierung, Marktvorbereitung, Produktionsreife, weitere oder erste Studien, Schlüsselkunden
Die Pionierphase bzw. besser gesagt die untergliederten Phasen, können somit auch als Frühphasenfinanzierung bezeichnet werden. In dieser frühen Phase eines (möglichen) Unternehmens ist das Thema Fördermittel und im Besonderen unbesichertes Fördermittel und Beteiligungskapital sowie Eigenkapital entscheidend. Seed- und Start-up Phase werden im Sprachgebrauch von Investoren und Beteiligungskapitalgebern auch als „Early Stage“ bezeichnet. Es gibt keinen gesetzlichen Rahmen für den Zeitraum dieser Frühphasen, aber man kann bis zu 2 Jahren nach Gründung davon ausgehen, dass die Frühphase beendet ist bzw. beendet sein sollte. Um es zu verdeutlichen: es kommt weniger auf das Alter des Unternehmens an, sondern darauf das geplante Meilensteine (Ziele der Gründer) umgesetzt wurden und die Investoren erkennen, dass die geplanten Schritte erreicht wurden.
An diesen Meilensteinen ist in den meisten Fällen die Finanzierung festgemacht. Bei wiederholter Nichterreichung der geplanten Meilensteine, gehen die Investoren raus und realisieren den Verlust. Meilensteine in der Frühphasenfinanzierung bzw. in der Early Stage Phase sind sehr unterschiedlich. Die Gewinnung von Schlüsselkunden und damit verbundenen nennenswerten Umsätzen ist ein wichtiges Ziel. Aber auch die erfolgreiche Besetzung von notwendigen Arbeitsplatzpositionen durch Gewinnung von hoch motivierten und fachlich exponierten „Mitgründern“ oder Mitarbeitern schafft Vertrauen (!) für die Investoren. Es sind Anzeichen – aus der Sicht von Investoren- das das „Gründerunternehmen“ nicht mehr zu den extrem risikoreichen Frühphaseninvestments gezählt werden muss.
Nach der Pionierphase folgt die Wachstumsphase, mit oftmals folgenden Parametern:
Wachstum Phase: Break-Even Point teils noch nicht erreicht oder nicht nachhaltig erreicht (Anfang der Wachstumsphase), Mittel werden zur Finanzierung von Produktionskapazitäten, Produktionsdiversifikation, Marktausweitung und / oder Betriebskapital verwendet (Quelle KfW, BVK), Produktion, Vertrieb, Marktanteile, Kooperationen, Lizensierungen, ergänzende Studien – alle diese Parameter sind möglich.
Danach schließen sich Phasen an, die unterschiedlich ausgeprägt sind: Reifephase und Etablierung im Markt, oder auch situationsbedingte Finanzierungsphasen wie Börsengang, Unternehmensnachfolge, o.ä.. Grund dafür ist, dass Unternehmen z.B. die Internationalisierung anstreben, oder sich konsolidieren müssen. Auch kann eine Diversifikation geplant sein, der Portfolioausbau, Akquisitionen oder Spin-offs. Dazu braucht es u.a. andere Finanzierungsprodukte wie Buy-Out Finanzierungen, Nachfolgefinanzierung, Turnaround-Finanzierung, Replacement-Capital.
Es ist relativ übersichtlich welches Vorhaben sich in welcher Phase befindet. Mit den Parametern in der Pre Seed, Seed und Start-up Phase ist es fast unmöglich eine klassische Bank zu finden, die Kapital zur Verfügung stellt. Deswegen gibt es staatliche Förderung bzw. Beteiligungskapital und somit Risikokapital, die solchen innovativen und technologieorientierten Vorhaben „unter die Arme“ greift und zur Verfügung steht.
Welche Fördermittel bzw. welche Möglichkeiten an „gefördertem“ Beteiligungskapital gibt es?:
Beispielhaft für Fördermittel aus dem Segment „Beteiligungskapital“ in der Frühphase sind die Folgenden (Summendarstellen anbei, Details auf Anfrage):
- High Tech Gründer Fonds (HTGF), stellt alleine in der ersten Runde bis 500.000,- Euro, danach bis zu 1.5 Mio. Euro als Ergänzung, Schwerpunkt Seed Phase, aber auch Start-up Phase
- ERP-Startfonds von der KfW, stellt Beteiligungskapital bis zu 2.5 Mio. Euro wenn ein Co-Investor (als Leadinvestor) den gleichen Kapitalbetrag leistet. Somit in Summe bis zu 5 Mio. Euro. Schwerpunkt Start-up Phase
- ERP-Beteiligungsprogramm, als Refinanzierungsprogramm von Investoren, bis zu 1,25 Mio. Euro, in Ausnahmefällen auch bis zu 2.5 Mio. Euro
- INVEST-Zuschuss für Wagniskapital, als Zuschuss an die Investoren, 20% auf das Beteiligungskapital bis max. 1 Mio. Euro., Zuschuss für Investoren somit bis zu 200.000,- Euro
- Mikromezzanine Fonds, für kleine Unternehmen, max. Laufzeit 10 Jahre, max. Summe ist 50.000,- Euro
- VC-Fonds Baden-Württemberg, erste Runde zwischen 300.000,- Euro bis 500.000,- Euro, ergänzend in weiterer Runde bis 1,25 Mio. Euro
- Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH, als Venture Capital für Start-up, von 250.000,- Euro bis 1.5 Mio. Euro, Aufstockung auf 2.5 Mio. Euro möglich, Later Stage Finanzierung dann bis 7 Mio. Euro
- VC Fonds Technologie Berlin, in der ersten Runde bis 1.5 Mio. Euro
- VC Fonds Kreativwirtschaft Berlin, in der ersten Runde bis 1.5 Mio. Euro, Ergänzungsfinanzierung bis 3 Mio. Euro
- Frühphasenfonds Brandenburg, Beteiligung zwischen 500.000,- Euro und 1 Mio. Euro
- Innovationsstarter Fonds Hamburg, Beteiligung zwischen 500.000,- Euro und 1 Mio. Euro
- EFRE-Seed- und Start-Up-Fonds Schleswig-Holstein, bei Seed Phase bis 100.000,- Euro (Ausnahme auch bis 200.000,- Euro), Start-up Phase bis 250.000,- Euro bis 500.000,- Euro
- EIF/ERP-Dachfonds, beteiligt sich an Venture-Capital-Fonds, die in Technologieunternehmen in der frühen Entwicklungsphase investieren, auch für Anschlussfinanzierungen bei Technologieunternehmen in der Seed Phase sowie Start-up Phase (auch frühe Wachstumsphase möglich)
Dies ist eine Auswahl an Beteiligungsmöglichkeiten und wenn Sie möchten, sende ich Ihnen auch gerne weitere Details. Ich glaube aber, die Menge an Risikokapital zeigt auch, wie wichtig dieses Thema in der deutschen Förderlandschaft ist. Darüber hinaus gibt es auch noch weiteres auf Europäischer Ebene angebotenes Beteiligungskapital.
Nicht vergessen möchte ich aber ein ganz besonderes Fördermittel aus meiner Stadt Hamburg: InnoRampUp. Hier wird Pre Seed umfangreich gefördert und zwar bis zu 100% der Projektkosten (bis 150.000,- Euro) – und das ohne die Garantie oder Sicherheit das am „Ende“ etwas herauskommt. So kann unabhängige Innovationsförderung aussehen – dann klappt es auch weiter mit Deutschlands Zukunft.
Fazit: Für Unternehmensgründen im innovations- und technologieorientierten Bereich bietet Beteiligungskapital übermäßig Vorteile:
- Beteiligungskapital verschafft dem (Gründer-) Unternehmen Eigenkapital, welches auch als Haftungskapital dient, und das ohne Sicherheiten für die Investoren bzw. Verbürgung für die Gründer (Unternehmen), nennenswerte Investitionen werden dadurch möglich
- Liquidität wird erheblich durch das Beteiligungskapital zugeführt und somit ist es erst möglich eine Idee in die Umsetzung zu leiten.
- Beteiligungsgeber sind oftmals der Türöffner zu weiteren Investoren und ermöglichen weitere Potentiale
- Verlust des (Risiko)- Kapitals zieht keine persönliche Insolvenz der Gründer nach sich
Innovationen, die Deutschland vorantreiben bzw. die andere Unternehmen vorantreiben und quasi zwingen in Innovationen zu investieren oder die innovative Gründungen finanziell unterstützen werden noch viel mehr gebraucht. Unternehmen in Deutschland, also wir Unternehmer, müssen uns stark machen für eine Ausweitung von Fördermitteln für innovative und technologieorientierte Vorhaben. Es ist dabei egal, ob dazu Ausgründungen aus Unternehmen, aus der Hochschule und Universität, oder auch andere Gründungssituationen notwendig sind. Innovationen schaffen und erhalten Arbeitsplätze, schaffen und erhalten Ausbildungsplätze, etc. – und nicht zuletzt werden (Gründer-) Menschen glücklich, weil sie eine Idee umsetzen können, die sie vorantreibt.
Schreiben Sie mir gerne einen Kommentar und diskutieren mit mir zu diesem Thema.
Senden Sie mir gerne Ihre Sichtweise. Haben Sie positive oder negative Erfahrungen mit gefördertem Beteiligungskapital gemacht? Haben Sie Verbesserungsvorschläge?
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Kai Schimmelfeder, Geschäftsführer feder consulting
Kai Schimmelfeder, der „Fördermittel-Papst“ ist mehrfacher Buchautor und erfolgreicher Unternehmer aus Leidenschaft und der Experte zum Thema öffentliche Fördermittel, Zuschüsse und Subventionen und deren konkrete Nutzung für den unternehmerischen Erfolg. Als mehrfach ausgezeichneter Fördermittel-Experte hat er seit 1996 bis heute mit seinem Team über 11.000 Beratungen durchgeführt und begleitet kleine, mittlere, große Unternehmen und Start-ups bei Investitionsvorhaben mit öffentlichen Förderungen. In seinen Fördermittel-Beratungen, Seminaren und Vorträgen begeistert „Mister Fördermittel“ Kai Schimmelfeder seine Zuhörer mit seinem geballten Praxiswissen und motiviert sie, neue Wege zu denken. Kai Schimmelfeder ist u.a. Geschäftsführer der mittelständischen Beratungsgesellschaft feder consulting, und Inhaber des Fördermittel-Sachverständigenbüros.
Sehr geehrter Herr Schimmelfeder,
Ich habe eine Erfindung und bin ich auf der suche ein/eine Finanzierer/in. Und für mich ist Ihrer Texte sehr behilflich geworden. Danke!
Sie haben bestimmt auch etwas über die Kreditsicherungen. Wie kann man Kredite sichern? Kann man
überhaupt mit der Fördermittel kombinieren? Danke.
Mfg.
Ilyas Yöndem