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Angesichts der digitalen Zeitenwende müssen Unternehmen sich und ihre Produkte neu erfinden, das weiß jeder Unternehmenslenker nur zu gut. Doch wie weit ist diese Entwicklung inzwischen vorangeschritten? Aufschluss darüber gibt der bereits zum fünften Mal ermittelte „Deutsche Industrie 4.0 Index“, für den die Unternehmensberatung Staufen zusammen mit den Experten von Staufen Digital Neonex Mitte des Jahres hunderte Industrieunternehmen in Deutschland befragt hat.
Das Ergebnis ist durchaus respektabel: Mit 52 Prozent hat erstmals mehr als die Hälfte aller Unternehmen Industrie 4.0 entweder in Einzelprojekten oder unternehmensübergreifend operativ umgesetzt. Wie weit die Wegstrecke ist, die dafür von den Unternehmen zurückgelegt werden musste, zeigt ein Vergleich: Bei der Ersterhebung des Indizes im Jahr 2014 lag der Wert bei gerade mal 15 Prozent.
Am unteren Ende der Skala gibt es kaum noch Unternehmen, die sich nicht zumindest in Vorbereitung auf den praktischen Einsatz von Industrie 4.0 befinden. Nur noch etwa jeder zehnte Betrieb verschließt sich diesem Trend auch 2018 komplett, der in absehbarer Zukunft sogar noch deutlich an Fahrt gewinnen dürfte. Doch auch diese Unternehmen werden bald in die aktive Phase eintreten – schon allein, weil sie mit ihren Wettbewerbern oder auch dem eigenen Netzwerk gleichziehen müssen.
In Einzelprojekten besonders digitalerfahren sind in Deutschland der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Elektroindustrie. Bei durchgängigen operativen Konzepten dominiert dagegen der Bereich Automotive, wo fast ein Fünftel Industrie 4.0 bereits umfassend operativ umgesetzt hat. Das erklärt sich nicht zuletzt aus den Branchenstrukturen: Während Maschinenbauer und Elektroindustrie durchaus heterogen vernetzt und vielfach auch auf individuelle Fertigungen und Anpassungen setzen, zeichnet sich die Automobilindustrie durch homogene, über Jahrzehnte abgestimmte Produkte, Prozesse und Supply Chains aus. In diesem Umfeld ist die durchgängige Umsetzung von ganzheitlichen Industrie-4.0-Lösungen deutlich leichter zu bewerkstelligen.
Während Industrie 4.0 in der eigenen Produktionstechnik der Unternehmen fast schon Standard ist, sind digitale Produkte und Anwendungen für den Kunden noch eher selten. Das zeigt der im Rahmen der Studie erstmals zusätzlich erhobene Smart Business Index. Mit 35 Punkten liegt er noch klar hinter dem Smart Factory Index, der den Digitalisierungsgrad der eigenen Produktionstechnik angibt und in diesem Jahr auf 42 Punkte angestiegen ist. Produkte und Anwendungen mit Industrie-4.0-Bezug haben bisher nur 21 Prozent der Unternehmen fest im Angebot. Komplette neue Geschäftsmodelle auf dieser Basis finden sich erst bei 5 Prozent der Betriebe.
Viele Unternehmen arbeiten jedoch bereits an neuen, digitalen Zusatzleistungen oder komplett neuen Produkten. Dennoch fällt auf, dass die Industrie hierzulande bei der digitalen Transformation den Blick noch immer viel zu sehr nach Innen richtet: Effizienz steigern, Kosten senken, Abläufe transparent machen – ja, das sind natürlich wichtige Ziele. Doch wer Industrie 4.0 nicht erheblich darüb er hinausdenkt, verpasst eine technologische Zeitenwende, und zwar womöglich dauerhaft.
Weiterführende Informationen:
- MaBau-Kongress 2018: Maschinenbau in der Transformation
Zum Autor:
Willhelm Goschy ist Vorstand der Staufen AG. Seine Beratungsschwerpunkte liegen auf wertstromorientierten Fabrikkonzepten, der Implementierung von Wertschöpfungssystemen und dem Coaching von Führungskräften. Goschy studierte Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und Großbritannien. Bei der Dr. Ing. h.c. Porsche AG sammelte er anschließend in der Funktion als Projektcontroller und Projektleiter profunde Kenntnisse in Fertigung und Montage.
Seit 1999 in der Unternehmensberatung Staufen entwickelte Wilhelm Goschy als Senior Partner und Business Unit Leiter Führungskräfte, leitete Großprojekte, konzipierte die Ausbildung von Lean Experten und ist heute unter anderem verantwortlich für die Entwicklung des internationalen Beratungsgeschäfts.
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