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Creditreform

Eine der schwerwiegendsten Folgen der Finanzkrisen ist die experimentelle Niedrigzinspolitik der großen Zentralbanken. Diese birgt die Gefahr, dass viele Sparer ihre finanziellen Ziele (z.B. Ruhestand) erst später als geplant realisieren können oder Abstriche beim Lebensstandard für die Zeit nach dem Berufsleben akzeptieren müssen.

Keine Zinsen, aber Inflation

In den letzten Jahrzehnten bekamen die Sparer nominal (vor Inflation) attraktive Zinsen am Geldmarkt. Die Vermögensmehrung schien risikolos. Dass es sich hierbei häufig um eine Illusion handelte, da die Kaufkraft nicht das hergab, was der Betrag versprach war eher eine philosophische Diskussion. Denn auch in der Vergangenheit gab es Phasen, in denen die Inflation die realen Renditen (das ist der Zins abzgl. Inflation) zeitweise in den negativen Bereich gedrückt hat.  Doch die 70er des letzten Jahrhunderts sind lange vorbei und im finanziellen Gedächtnis der aktuellen Finanzentscheider ist diese Ära nicht wirklich präsent.

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Nebenerscheinungen der Geldpolitik

Die extrem expansive Geldpolitik hat insbesondere in der Eurozone historische Ausmaße erreicht. Der Leitzins wurde auf 0 Prozent, der Einlagensatz auf -0,4 Prozent gesenkt. Um die langfristigen Marktrenditen zu drücken, werden monatlich Anleihen im Wert von 80 Mrd. EUR von der EZB gekauft. Die Folge sind historisch niedrige Zinsen, sowohl am Geldmarkt als auch im Anleihemarkt bei Laufzeiten bis 30 Jahre.

Seit dem Jahr 1957 war es durch den Kauf von deutschen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren immer möglich, einen realen Vermögensaufbau (vor Steuern!) zu bewerkstelligen. Dies änderte sich mit der Aufnahme der unkonventionellen Maßnahmen der EZB ab dem Jahr 2011. Darunter fallen konkret Maßnahmen wie das längerfristige Refinanzierungsgeschäft (LTRO), das Securities Markets Programme (SMP) oder später das Asset Purchase Program (APP). Das zuletzt genannte Programm sorgt bei langfristiger Anwendung  zu einer Verknappung des Angebots an Staatsanleihen (insbesondere deutscher) und wird damit auch noch lange nach seiner Einstellung das Zinsniveau niedrig halten.

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Vorsicht Normalisierung

Da die Verschuldungsproblematik in unserem global vernetzten Finanzsystem nur mit Hilfe einer Reflationierung  gelingen kann, ist davon auszugehen, dass die Notenbank die Zinsen nicht wie in den vorherigen Zyklen anheben wird. Vielmehr  muss man sich wohl darauf einstellen, dass die realen Renditen im Zuge einer sich normalisierenden Inflation weiter fallen könnten. Aus Sicht der Schuldner wäre dies positiv. Auch die etablierten Parteien in den großen Volkswirtschaften könnten nach den beiden Überraschungen in Großbritannien (Brexit) und USA (Trump) dazu verleitet werden sich mehr um den „kleinen Mann“ zu kümmern. Das kostet natürlich Geld. Eine Kombination aus schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen, niedrigen Zinsen und steigenden Inflationsraten dürfte vielen Menschen (=Wählern) sympathischer sein, als eine ordnungspolitische korrekte Sparpolitik.

In den letzten Monaten hat eine frühe Phase der Normalisierung der Inflation bereits begonnen. Ob diese von Dauer ist muss sich noch zeigen. Ein Anfang ist auf jeden Fall gemacht.

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Folgen für den Anleger

In Deutschland sind die realen Renditen am Geldmarkt bereits seit knapp 6 Jahren negativ. Auch wenn man Geld in Anleihen erstklassiger Schuldner mit signifikanten Laufzeitrisiken anlegt, kann man heute keinen realen Vermögenserhalt erreichen. Eine Chance auf einen realen Vermögenserhalt gibt es derzeit nur mit einer deutlichen Steigerung der Schwankungsrisiken.

Für Anleger ist es in einem Umfeld niedriger Zinsen wichtiger denn je, Fehler in der Anlagestrategie zu vermeiden. Denn anders als früher ist der Puffer – damals waren die realen Renditen höher und konnten Fehler über die Zeit kompensieren – heute um ein Vielfaches geringer.

Im ersten Schritt sollten sich Anleger über die Zusammensetzung des eigenen Vermögens klar werden. Erst dann können wichtige Fragen, wie die hier aufgeführten, überhaupt erst beantwortet werden.

  • Wie hoch ist der Anteil von Geldwerten, der direkt von Zinsen abhängig ist?
  • Welche Teile des Vermögens können von einer steigenden Inflation profitieren?
  • Ist meine Anlagestrategie ausgewogen oder gibt es übersehene Klumpenrisiken?
  • Paßt meine Erwartung zu der vorhandenen Struktur?

Die Einteilung aller Vermögenswerte auf Basis einer nachvollziehbaren Logik ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

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