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Alle drei Krisen treffen mit ihren Auswirkungen das deutsche Geschäftsmodell in besonderer Schärfe. Durch die Pandemie sind noch immer Lieferketten unterbrochen – nicht zuletzt, weil China an einer nicht durchzuhaltenden Null-Covid-Strategie festhält.
Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine werden der deutschen Wirtschaft nun die energetischen Grundlagen entzogen, die Basis der Klimapolitik waren: Günstiges Gas sollte Atomkraft und Kohle ersetzen, bis die Erneuerbaren mit Speichern und grünem Wasserstoff ganzjährig verlässlich verfügbar sind. Der Klimawandel und die Klimapolitik fordern die industriell geprägte Wirtschaft darüber hinaus noch stärker in der Frage, wie schnell sie klimaneutral werden kann. Der Standort steht dadurch stark unter Stress.
Unzureichende Antworten
Im Koalitionsvertrag wurden aus der Sicht von 2021 eigentlich alle Notwendigkeiten richtig adressiert. Beispielsweise die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, um Innovationen und Dekarbonisierung voranzutreiben und überhaupt den Standort flexibler zu machen. Mit dem Krieg gibt es nun aber eine Herausforderung, für die es kein Handbuch gibt. Insofern ist die Unsicherheit groß, und die Politik der Ampelkoalition findet darauf trotz angekündigtem „Wumms“ teilweise keine klaren Antworten.
Sie beschließt zwar Rettungspakete in Milliardenhöhe, reaktiviert Kohlekraftwerke und setzt die die Schuldenbremse momentan aus. Doch zukunftsweisende Entscheidungen werden kaum getroffen, da die drei Parteien, die die Regierung tragen, offensichtlich noch nicht in der neuen Realität angekommen sind. Die SPD tut so, als könne sie Umverteilungspolitik unverändert weiter betreiben. Die Grünen machen sich vor, eine Energiewende ohne gesicherte Energieproduktion organisieren zu können und wollen Genehmigungsverfahren nur für ausgewählte „grüne“ Vorhaben beschleunigen. Und die FDP verliert sich in der Idee, die Schuldenbremse trotz neuer Milliardenschulden einzuhalten. Die Koalition hat noch nicht wirklich begriffen, was Zeitenwende heißt.
Fortschritt statt ideologischer Hürden
Die Regierung bezeichnet sich selbst als Fortschrittskoalition. Fortschritt heißt aber am Ende auch, dass man ideologische Hürden überwindet, an der Sache orientiert und konsequent arbeitet. Gutes Regieren muss parteipolitische Grabenkämpfe in den Griff bekommen. Der Inflationsdruck ist groß, die Energiepreise sind hoch, und der Reformstau ist gewaltig. Eine goldene Dekade wie ab 2010 werden wir vorerst nicht wieder erleben. Digitalisierung, Fachkräftemangel und die marode Infrastruktur gehören zu den großen Baustellen. Notwendige Reformen drohen auf der Strecke zu bleiben, wenn sich die Koalition nicht zusammenrauft.
Dass sie es kann, hat sie schon gezeigt, etwa beim 200-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Wir brauchen aber nicht nur kurzfristige Maßnahmen. Die politische Intervention über Preisbremsen und -deckel eröffnet einen Anpassungshorizont, die Krise wird uns aber noch über das Frühjahr 2024 beschäftigen. Strom und Gas werden weiterhin teuer sein. In dieser Zeit muss alle Kraft auf Innovation und Transformation gerichtet sein mit dem Ziel: anpassen statt abwandern. Gelingt dies nicht, ist das deutsche Geschäftsmodell nicht mehr zukunftsfähig.
Notwendige Maßnahmen
Akut muss dem Mittelstand aus der Krise geholfen werden, denn während Konzerne Reserven haben, gerät er schon jetzt in Liquiditätsprobleme. Die Stundung oder Rückerstattung von Steuervorauszahlungen wäre eine schnelle Lösung. Auch Superabschreibungen sollten kommen. Neben dem Finanz- muss sich auch das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium bewegen.
Die Energiewende kann nicht abgearbeitet werden, als sei nichts passiert. Dann wird es nicht nur für die Hidden Champions schwierig, sondern zunächst für die kleineren Mittelständler. Schon heute muss man planen, wie der Energiemix in den nächsten Jahren aussehen soll. Stattdessen wird erstaunlich viel Gehirnschmalz darauf verwendet, um den Leuten zu erklären, warum man zwar drei Atomkraftwerke bis Frühjahr 2023 in Betrieb hält, aber es wird keine Lösung für den Winter 2023/24 präsentiert, als läge dieser in ferner Zukunft.