
© Rochus Mummert
Der deutsche Mittelstand tut sich zunehmend schwer, Führungspositionen erfolgreich zu besetzen. Besonders herausgefordert sind Unternehmen in ländlichen Regionen, wie sie typisch für die deutsche Wirtschaft sind. Was können sie tun?
Rund ein Drittel der freien Stellen in mittelständischen, deutschen Unternehmen ist derzeit nicht oder nur nach überdurchschnittlich langer Zeit besetzbar.
Allein die damit verbundenen Umsatzeinbußen gehen in den zweistelligen Milliardenbereich, nachdem Führungspositionen naturgemäß eine hohe Hebelwirkung auf den Unternehmenserfolg haben.
Ein Thema, mit dem sich Arbeitgeber, die fernab der Großstädte und Ballungszentren auf dem Land angesiedelt sind, noch weit mehr auseinandersetzen müssen.
Fehlende Bekanntheit, schlechtes Image
Nicht selten beginnt das bereits mit fehlender Bekanntheit der Region, in der sich das Unternehmen befindet. Während Städte und Ballungsräume wie Berlin, München oder Rhein-Main sofort ein inneres Bild erzeugen, verbinden die meisten Menschen mit Landstrichen wie z. B. Nordhessen, der Hocheifel oder Niederbayern erst einmal nicht so viel.
In anderen Fällen, etwa bei ostdeutschen Regionen, erschweren bisweilen allgemeine Negativklischees, dass es überhaupt zu einem weiterführenden Kontakt mit potenziellen Führungskräften kommt.
So manche internationalen Executives mit ethnisch anderen Wurzeln befürchten auch eine potenziell unterschwellige Ablehnung. Medienberichte über eine nicht offene Türen-Kultur werden von diesen Personen naturgemäß noch kritischer persönlich genommen und können darüberhinaus verängstigen.
Zum Autor:
Dr. Frank Döring, Partner der Rochus Mummert Executive Consultants, betreut vorrangig Unternehmen der Branchen Maschinenbau, Automotive, Automatisierungs-, Gebäude- wie Energietechnik. Managementerfahrung erwarb er in Forschung und Entwicklung, Produktion und technischem Marketing in Funktionen bis zum Geschäftsführer mit längeren beruflichen Aufenthalten in den USA, Italien, Frankreich, China und in der Türkei.
Die Umzugs-Frage
Auch anderswo bleibt die Provinz im Vergleich zu den Metropolen in Disziplinen zurück, die vielen Führungskräften wichtig sind. Bisweilen fängt dies schon mit dem Fehlen einer abwechslungsreichen Urbanität samt kultureller oder gastronomischer Vielfalt an.
Ein weit gewichtigeres Hemmnis für Führungskräfte mit Familie ist ein, im Vergleich zur Metropole nur eingeschränktes Angebot an attraktiven Schulen sowie Betreuungs- und Weiterbildungsangeboten vor Ort.
Ein Punkt, der dann greift, sobald der berufliche Wechsel auch mit einem Umzug und einer Verlagerung des gesamten Lebensmittelpunkts verbunden ist.
Ist ein Umzug bei Kindern an und für sich schon eine gewichtige Entscheidung, kommt speziell auf dem Land noch das Risiko hinzu, bei ungenügender Passung mit dem neuen Arbeitgeber womöglich erneut wieder den Wohnort wechseln zu müssen, falls sich in der neuen ländlichen Heimat dann keine passende Alternative findet.
Zusätzlich müssen auch weitere Hürden überwunden werden, wie etwa das Überzeugen eines berufstätigen Partners, der ebenfalls eine gewisse Perspektive braucht.
Den Standort „verkaufen“
Neben den allgemeinen Standortfaktoren, auf die bestenfalls indirekt Einfluss genommen werden kann, stehen sich manche Mittelständler auf dem Land auch selbst im Weg, wenn es darum geht, gute und gefragte Executives zu gewinnen.
So manche Unternehmen sind zum Beispiel sowohl mental als auch in der Kommunikation und Ansprache gegenüber potenziellen Führungskräften aus anderen Regionen nur unbefriedigend aufgestellt.
Wo kritische Punkte beim Thema Lage und Infrastruktur vermieden oder kleingeredet werden oder es an eigenem Selbstbewusstsein in Sachen Standort mangelt, kann erst Recht kein Funke übersprühen, der oft umso dringender notwendig wäre.
An anderen Stellen fehlt schlicht die grundlegende Bewusstheit, dass hier immer zwei Dinge „verkauft“ werden müssen: das Unternehmen und der Standort.
Unternehmenskultur muss Wertewandel widerspiegeln
Wertvolle Chancen vergeben auch all jene Unternehmen, die es bisher versäumt haben, eine moderne Arbeitskultur und Atmosphäre zu etablieren, die dem allgemeinen Wertewandel gerecht wird.
Wo noch der Geist vergangener Jahrzehnte herrscht, der Manager-Typ vom alten Schlag das Ideal darstellt und ein ausgeprägtes Hierarchie-Denken jegliche Kreativität ausbremst, wenden sich viele Kandidaten schnell wieder ab.
Das gilt gerade dann, wenn andere potenzielle Arbeitgeber Führungskräften reichlich Raum für eigene Ideen bieten, angemessene Home-Office-Regelungen einräumen, interne Abläufe und Prozesse auf Höhe der Zeit digitalisiert haben oder auch regelmäßig hochwertige Fortbildugnsmaßnahmen bis hin zu einem Executive-Programm an einer namenhaften Business School bezahlen.
Viele Unternehmen sind Hidden Champions in einem begrenzten Markt, in dem das Unternehmen eigene Standards und Wege durchsetzen kann. Beim Gewinnen von Mitarbeitern befinden sich Unternehmen in einem transparenten Massenmarkt, in dem nicht mehr zeitgemäße Eigenarten das Unternehmen schnell ins Hintertreffen bringen.
Was das Landleben attraktiv macht
Da es nicht den einen Bewerber-Hintergrund gibt, gilt es die Vorteile des ländlich angesiedelten Mittelstandes bewusst zu spielen. Urbanes Leben hat viele negative Seiten, denen immer mehr Menschen entrinnen möchten.
Eine klare Unternehmenskultur und ein ländliches Umfeld holen die Menschen ab, die mit monatlich neuen Strategien, zu häufig wechselnden Vorgesetzten, Kostenreduzierung sowie Anonymität und Komplexität größerer Unternehmen abgeschlossen haben.
Es gilt, diese Karten richtig zu legen und von Anfang an das Werben neuer Führungskräfte zu erweitern. Neben der Reputation des Unternehmens muss auch aktiv an der Reputation der Region gearbeitet werden.
Die alleinige Förderung des lokalen Sportvereins und der jährliche Werksbesuch des Kindergartens sind diesbezüglich nicht mehr ausreichend. Jeder kununu-Eintrag über das Unternehmen ist ernst zu nehmen und geäußerte Kritik ist als Angebot zur Verbesserung zu lesen.