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Egal ob als Dreirad mit Transportkiste oder als Zweirad mit tiefer Ladefläche – Lastenräder erobern die Innenstädte. Treiber sind leistungsstarke Elektro-Zusatzantriebe sowie Förderprogramme von Bund, Ländern und Kommunen. So wird der Pack-E-sel auch zur Option für den Firmenfuhrpark.
Zu Beginn waren ihre Mitarbeiter skeptisch, sagt Stella Langner. Kein Auto mehr? Langner ist Geschäftsführerin der PPM Perfectly Placed Media GmbH in Köln und beliefert seit mehr als 20 Jahren wöchentlich knapp 380 Restaurants und Kneipen in Köln mit Werbepostkarten, Plakaten und Gratismagazinen.
Ein gutes Dutzend Lieferwagen umfasste der Fuhrpark – bis Langner vor zweieinhalb Jahren damit begann, auf Lastenräder umzusatteln. „Unsere Fahrer bewegen jede Menge schweres Papier durch die Stadt. Insofern waren sie skeptisch, ob das auch mit dem Rad zu machen ist“, sagt sie.
Inzwischen steht fest: Es ist zu machen. Sogar sehr gut. „In der Innenstadt, wo Autos oft im Stau stehen, keine Parkplätze finden oder aufpassen müssen, dass sie kein Knöllchen bekommen, sind die Räder im Vorteil“, sagt Langner.
„Wir sparen mit dem Rad etwa 20 Prozent Fahrzeit pro Tour“
Stella Langner, PPM Perfectly Placed Media
Dank Elektromotor spielt auch die schwere Beladung kaum eine Rolle. Einzig das Wetter verleidet den PPM-Fahrern bisweilen den Fahrspaß. „Wir haben sie mit entsprechender Kleidung ausgestattet, aber im Winter wäre etwas mehr Wetterschutz für Fahrer und Ladung schon wünschenswert“, sagt die Geschäftsführerin.
20 Prozent Zeitersparnis
Dennoch sind Langner und ihre Mitarbeiter von der Stärke der Lastenräder, gerade in Städten wie Köln, längst überzeugt. Die Domstadt gehört in Deutschland zu den Spitzenreitern in Sachen Stau. 100 Stunden pro Jahr steht jeder Autofahrer dort laut einer Studie des Verkehrsdatenanbieters Inrix.
Unternehmer sind allerdings nicht nur Leidtragende, sondern häufig genug auch Verursacher innerstädtischer Staus. Immer mehr Fahrzeuge von Kurier- und Paketdiensten suchen einen Parkplatz oder stehen – wenn sie keinen finden – als Verkehrshindernis in der zweiten Reihe.
Die Mitarbeiter von PPM können darüber nur lächeln. Sie radeln rechts am Stau vorbei und parken, wo immer sie wollen, auf dem Bürgersteig. „Mit dem Rad sparen wir viel Zeit“, sagt die PPM-Geschäftsführerin.
Auch der Unterhalt der Räder sei deutlich günstiger als der eines Pkw-Fuhrparks. Beide Vorteile nutzt Langner, um ihre Fahrer für die Tretarbeit zu belohnen und sie besser zu bezahlen.
Alte Idee mit neuem Antrieb
Die Idee, schwerere Lasten auch mit dem Fahrrad zu transportieren, ist nicht neu. Bis in die 1960er-Jahre arbeiteten Handwerker und Händler so. Geläufige Beispiele sind das Bäckerrad mit einer großen Kiste vorne drauf oder der radelnde Schornsteinfeger.
Doch dann verbreitete sich das Auto und die Lastenräder verschwanden aus dem Stadtbild. Auch weil bisweilen sehr viel Muskelkraft nötig war, um sie zu bewegen.
Und so hat es neben umweltpolitischen vor allem technische Gründe, dass die Zweiradtransporter nun ein Revival erleben. Der Fahrradbau verwendet leichtere Materialien, Gangschaltungen sind besser geworden.
Aber vor allem die Pedelec-Technologie, also die Unterstützung per Elektromotor bis 25 km/h, macht Lastenräder attraktiv wie nie.
Von etwas mehr als 4,1 Millionen verkauften Fahrrädern im Jahr 2018 waren laut Marktdaten des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) gut 980.000 E-Bikes.
Den Anteil der Lastenrad-Pedelecs schätzt der Verband auf vier Prozent, umgerechnet also rund 39.000 Stück. Zum Vergleich: Für denselben Zeitraum weist die Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamts lediglich 36.062 Elektroautos auf.
„Es ist noch kein Boom, aber wir versuchen, einen zu erzeugen“, sagt Cora Geißler, Geschäftsführerin von Velogut. Der Berliner Fahrradhändler ist auf Cargobikes spezialisiert und hat in den vergangenen zwei Jahren das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt „Lasten auf Leihrädern“ etabliert.
„Wir haben einen Lastenradverleih für Unternehmen aufgebaut, um die Innovation und die Möglichkeiten erlebbar zu machen“, sagt Geißler. Eine parallele Evaluierung habe gezeigt, dass nicht nur Handwerksunternehmen prädestiniert sind, sondern auch Serviceunternehmen wie etwa Pflege- oder medizinische Dienste.
„Auch für Branchen, in denen es weniger um Logistik und mehr um Service geht, aber wo die Leute ein gewisses Equipment mitnehmen müssen, sind E-Lastenräder ideal“, sagt Geißler – zumindest als Ergänzung zum Pkw.
Zuschuss für Zukunftsmobilität
Unternehmenstaugliche Cargobikes mit Elektroantrieb kosten ab 4.000 Euro aufwärts. Dazu können Käufer verschiedene Zuschüsse von Bund, Ländern und Kommunen erhalten.
Nordrhein-Westfalen etwa zahlt Unternehmern in 28 Städten, in denen die Stickoxid-Grenzwerte überschritten werden, beim Kauf eines Lastenrads bis zu 2.100 Euro dazu.
Ähnliche Angebote gibt es auch in Baden-Württemberg sowie bundesweit in zahlreichen Städten und Kreisen. Bei den lokalen Förderungen variiert die Höhe des Zuschusses von 300 Euro bis 2.500 Euro.
Allerdings gilt es hier mitunter, schnell zu sein, bevor die Fördertöpfe leer sind. Für sogenannte Schwerlastfahrräder mit Elektroantrieb – das sind Lastenräder oder auch Anhänger mit mehr als einem Kubikmeter Ladekapazität und mehr als 150 Kilogramm Nutzlast (inklusive Fahrer) – übernimmt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 30 Prozent der Anschaffungskosten, maximal 2.500 Euro.
Unternehmerin Stella Langner geht noch einen anderen Weg. Sie hat in Köln derzeit bis zu zehn Cargobikes im Einsatz. Wobei sie zusätzlich zu den eigenen Rädern einen Teil beim Anbieter Donk-EE je nach Bedarf ausleiht.
Der Vorteil: Reparaturen übernimmt der Verleiher und PPM bleibt bei der Nutzung flexibel – zumal die Kosten einfach kalkulierbar sind. Für eine fünfstündige Tour kostet ein Donk-EE-Rad circa 13,50 Euro.
Ähnliche Verleihanbieter gibt es inzwischen in vielen größeren Städten. Auch Velogut-Chefin Cora Geißler empfiehlt: „Nicht nur als Ergänzung sind die Verleihdienste ideal, sondern auch, um den Lastenradeinsatz fürs Unternehmen zu testen – und skeptische Mitarbeiter zu überzeugen.
Lastenrad ist nicht gleich Lastenrad
Für verschiedene Vorlieben und Anwendungsbereiche bietet die Fahrradbranche verschiedene Modellkonzepte. Ein Überblick:
Der Vorläufer
Die Bezeichnung Bäckerfahrrad stammt noch aus der Zeit, in der Bäcker ihre Ware in einem großen Korb vor dem Lenker ausfuhren. Bei aktuellen Modellen ist die Ladefläche fest am Rahmen montiert und ragt über das Vorderrad hinaus, das daher oft kleiner ausfällt. Die Zuladung ist vergleichsweise gering, dafür sind die Räder kompakt und platzsparend abstellbar.
Der Klassiker
Die Grundform des Long John wurde Ende der 1920er-Jahre in Dänemark entwickelt. Vorteile sind der tiefe Schwerpunkt der Ladung und das weiterhin fahrradtypische Fahr- und Kurvenverhalten. Der Laderaum zwischen Lenker und Vorderrad kann mit einer offenen oder geschlossenen Box oder einer tiefen Ladefläche gestaltet werden. Weil er in der Regel nicht breiter als der Lenker ist, kommen Fahrer zudem fast überall gut durch.
Das Besondere
Dreiräder, auch Christiania-Bikes genannt, sind beliebt wegen der großen Kippstabilität. Aufgrund der fehlenden Kurvenlage ist das Fahrgefühl allerdings gewöhnungsbedürftig. Anbieter wie der Fahrzeugeinrichter Sortimo haben das Konzept daher nicht nur mit speziellen Werkzeugboxen für den Unternehmenseinsatz optimiert, sondern auch mit einer Kippmechanik das bekannte Fahrradfeeling wiederhergestellt.
Der Autoersatz
Sogenannte Schwerlastfahrräder zeichnen sich durch ihr hohes Ladevolumen und Zuladungsgewicht aus. Sie sind in der Regel als Dreirad konzipiert und haben bis auf den Pedalantrieb kaum noch etwas mit einem klassischen Fahrrad gemein. Einige Modelle haben sogar eine Haube als Wetterschutz – oder wie der Armadillo des schwedischen Herstellers Velove vier Räder und die Möglichkeit, einen Anhänger anzukuppeln. Hauptzielgruppe sind Logistikunternehmen.
Die Fahrzeuge die in Frage kommen sind recht teuer.
Z.B. ein Fahrzeug aus zusammen geschraubten Aluvierkantrohren für fast €5000 mit Ladefläche für eine Europalette.
Hab das mal grob überschlagen, und das Teil hat evtl. 30x30x3mm Vierkantrohr. Der XYZ-Fourwheeler hat evtl. 38m davon plus großzügig gerechnet 3m Rundrohr als Querstreben.
Macht rund €330 bei z.B. Wilms. Dazu noch 4 20″-Räder, einen 250W-Motor (auch nicht teuer), Steuerlektronik, PAS-Sensor, Akku (~480Wh)…
Auch wenn man die Arbeitszeit berücksichtigt, bleibt wohl gut was übrig.
Gut wäre ein Open-Hardware-Projekt zu so etwas. Freie Baupläne.
So kann dann jeder selbst eins bauen, aber auch Firmen die Räder förderfähig verkaufen. Da reicht ja schon ein Gewerbeschein, und los gehts mit dem Nachbau.
Nein, es braucht keine Ausbildung, Meister etc.. Da die geschraubt und nicht geschweißt wären, muss man auch nicht Aluminium schweißen können.
Ich hätte für Privat gerne etwas, aber mit evtl. 2x2m Seitenwänden. Als Infofläche. Aber ungewerblich (Werbeflächen sind eh nicht förderfähig), für Infoguerilla.
Und innen kann ich Dinge transportieren, und man könnte es sogar als Wohnmobil ausbauen.
Das Beispiel hat bei seinen 268cm Länge rund 136cm Sitz/Pedalier-Länge. Hinten sind nur 138cm für die 120cm lange Palette, und 12cm Zusatz.
Warum nicht auch ein Rad der Art mit insgesammt 5-6 Metern? Ein Grand Voyager Minivan hat 5m, ein kleines Wohnmobil hat 6m.
Und die Breite, das Beispiel hat nur 1m (genau die Grenze bis zu der es keine eigenen aktiven Lichter haben muss), könnte statt 1m 2m sein.
Maximal erlaubt sind 2,55m, aber man muss es nicht übertreiben. Auch ein kleines Wohnmobil hat evtl. 2,15m Breite.
Super wäre, könnte man die Breite und evtl. Länge verändern. Auseinander ziehe. Z.B. ein Alurohr im Anderen, und dann Splint rein.
Mit 1,2m x 2,7m komfortabel kompakt fahren (auch auf dem Radweg), aber wenn nötig auch mit 2m x 5m etwas transportieren.
Im Gegensatz zu ausfahrbaren Wohnmobilen aber das ganze Fahrzeug inkl. Fahrgestell und Rädern, weil man das ja auch zum Transport macht (und der breitere Radstand für Stabilität sorgt).
Beim Wohnmobil reicht es vor Ort den Kasten oben drauf elektrisch ausfahrbar zu verbreitern.
Man kann auch kleinere Versionen anbieten, die klein die Ansprüche derer erfüllen die weniger als den m³ wollen, aber ausziehabr die 1m³-Vorgabe erfüllen.
So sind die Förderfähig. Und niemand verlangt dass die zusammengebaut gekauft und geliefert werden müssen, oder?
Gerade dieser beschriebene Aufbau ist ja „Lego-Technik“. Die könnte man auch zum Selbstzusammenbau verschicken.
Auch billig aus China. Die Chinaroller aus dem Baumarkt die bei 20% Preisnachlas 600 kosten, sollen ab Hamburger Hafen in größerer Menge im Container angeblich €200 kosten…
Da wäre Konkurrenz gut. Ich gönne es XYZ etc. dass sie ihre Fahrzege mit gutem Gewinn verkaufen, aber es darf auch gerne gemeinützige Alternativen aber auch Konkurrenz aus China etc. geben.