Web Monitoring oder 3.0-Service bringt auch Mittelständler direkt dorthin, wo über ihre Produkte diskutiert wird: ins Social Web. Unternehmer sollten gut zuhören – damit sie nicht erst dann reagieren, wenn ein enttäuschter Kunde sich meldet.
Ob die Fußball-WM die Absatzzahlen der deutschen Brauereien auch in diesem Jahr wieder nach oben spült, will statistisch erst noch ausgewertet werden – doch dank Twitter, Facebook & Co. wissen wir: Bier und Fußball hängen enger zusammen denn je. Für Männer zumindest, sagt Jan Bartels von der Webbosaurus GmbH. Einen Monat lang haben die Berliner mehr als 2.000 Beiträge aus Blogs, Foren, Frage- und Antwortportalen, Verbrauchersites, Facebook, Twitter, YouTube und GooglePlus ausgewertet und sie jeweils passenden Themen, Schlagworten und Tonalitäten zugeordnet.
Beispiel gefällig? „Party-Gast, BVB-Fan. Trinkt kein Veltins. Begründung: ‚Dat is Schalke-Bier.‘ Das nenne ich konsequent“, kommentiert ein männlicher User auf Twitter. „Gespräche weiblicher Nutzer zeigen hingegen: Bei ihnen stehen vor allem Mix-Getränke im Fokus“, erzählt Bartels. Besonders wertvoll für Unternehmen aus der Bierbranche dürften die Äußerungen zum Sortiment sein, die Webbosaurus herausgefiltert hat. Schon kurze Einträge wie „Ich wünschte, es gäb Becks Ice auch als alkoholfreie Variante“ könnten der Anstoß zu einer neuen, erfolgreichen Produktlinie sein.
Marketing-Expertin Anne Schüller rät mittelständischen Unternehmen deshalb dringend, sich dem Social Media Monitoring zu widmen: „Endlich können wir den Kunden zuhören, wenn sie sich über uns unterhalten: die beste Echtzeit-Marktforschung aller Zeiten.“ Markus Bockhorni von der auf Internet-Marketing spezialisierten eMBIS GmbH empfiehlt Auswertungen des Web 2.0 gleich für mehrere Unternehmensbereiche. So können Firmen ihre Erkenntnisse nutzen, um
• den Wettbewerb zu beobachten,
• neue Mitarbeiter zu identifizieren,
• das Reputations-, das Krisen- und
PR-Management zu verstärken,
• Trend- und Marktanalysen durchzuführen und
• Kunden zu binden.
„Immer mehr Kunden erwarten heute ganz selbstverständlich, dass man ihren Gesprächen auf den Social-Media-Plattformen lauscht“, sagt Anne Schüller. Aus einer „Bringschuld der Kundschaft“ – sie tritt mit Fragen oder einer Reklamation an den Anbieter oder Händler heran – sei eine „Holschuld der Anbieter“ geworden.
Doch diese Aufgabe überfordert vor allem viele kleinere Betriebe. „Für strategische Kommunikatoren sind Gespräche über die eigene Marke oder die Organisation im Internet kaum noch zu überblicken“, sagt Dr. Jan Janzen von der Agentur Ausschnitt Medienbeobachtung in Berlin. Vor allem die Relevanz der einzelnen Beiträge sei immer schwieriger einzuschätzen. Die Verbreitung bestimmter Informationen könne „kaskadenartig erfolgen und im Prinzip von jedem initiiert werden“.
Wonach Sie lauschen sollten
Darum: „Beauftragen Sie einen Mitarbeiter mit der Aufgabe, permanent das Mitmach-Web zu beobachten“, empfiehlt Anne Schüller. „Und machen Sie es sich als Chef zum täglichen Ritual, die wesentlichen Ergebnisse daraus genauso sorgfältig zu studieren wie Ihre Geschäftspost und die Umsatzzahlen.“ Zunächst sollten Unternehmer auf einer Beobachtungsliste diejenigen Begriffe notieren, die sie im Netz aufspüren möchten – etwa den eigenen Firmennamen, Produktnamen, Marken oder relevante Fachbegriffe. Am besten auch möglichst viele aussagekräftige Begriffe zum Wettbewerb. Auch von dessen Social-Web-Echo lässt sich schließlich lernen.
„Naheliegend ist die Verwendung von Tools, die die sozialen Netzwerke, wie etwa Facebook Insights, Google+ Ripples, Alerts oder YouTube Insights, ihren Nutzern selbst an die Hand geben“, ergänzt Markus Bockhorni. Diese Anwendungen verfügten teilweise über eine „erstaunliche Informationstiefe“ – etwa zu Demografien, Hochsaison und Peaks, Abrufzahlen oder Verbreitungswegen. Ein guter Ausgangspunkt also, der sich später mit spezifischeren Werkzeugen ergänzen lässt.
Unternehmer, die von Beginn an genauer hinschauen wollen, verwenden spezielle Social-Media-Analyse-Programme, die das Internet mit Crawlern durchsuchen und relevante Informationen herausfiltern. Bei dieser semantischen Version des Web-Monitoring lassen sich sogar die Quellen von Online- Äußerungen identifizieren und gezielt ansteuern. So kann dokumentiert werden, ob diese Quellen eine Multiplikatorenrolle innehaben, also im positiven Fall nützlich oder im negativen Fall gefährlich sind. „Besonders einflussreich können hier diejenigen werden, die als zentrale Akteure viele verschiedeneNetzwerkmitglieder auf möglichst kurzem Wege erreichen“, erklärt Jan Janzen. Aus den mitgelesen Äußerungen lassen sich sogar Trends errechnen. Sämtliche Erkenntnisse werden grafisch aufbereitet und auf Wunsch mit Konkurrenzprodukten verglichen. Gezielte Verbesserungen sind somit ein Kinderspiel. Das gilt auch für Biersorten und -Mischgetränke.
ZEHN GEBOTE FÜR IHR SOCIAL MEDIA MONITORING
Was wird über Ihre Firma, Ihre Marke, Ihre Produkte geschrieben – und wie sollten Sie Ihre Kommunikation darauf abstimmen? Diese Tipps des Marketingspezialisten UDG United Digital Group GmbH helfen weiter:
- Profitieren Sie von positivem Feedback, indem Sie Komplimente in Delicious-Konten, einer Art sozialer Lesezeichen, speichern und diese in Ihre Website mit aufnehmen. So lesen potenzielle Neukunden, was Bestandskunden gefallen hat.
- Reagieren Sie schnell auf negative Nachrichten, seien Sie dem Schreiber behilflich und wandeln Sie ihn in einen zufriedenen Kunden um – dann winken positive Einträge und Empfehlungen.
- Beobachten Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden und treten Sie mit Hilfestellungen und Demonstrationen an diese heran. Nutzer schreiben nicht grundlos Beiträge – sie werden es Ihnen danken.
- Behalten Sie die Aktivitäten der Konkurrenz im Auge, nutzen Sie den Kontakt zu deren (potenziellen) Kunden und die Chance, sich auf künftige Entwicklungen einzustellen.
- Informieren Sie sich über aktuelle Themen der Öffentlichkeit, so können Sie viel über Kundenwünsche und -einstellungen lernen. Bringen Sie sich in die Diskussion ein und erschließen Sie sich das Potenzial für neue Kunden.
- Identifizieren Sie die Multiplikatoren Ihrer Marke. Diese erreichen Sie über die Qualität und Menge Ihrer Teilnahme an der jeweiligen Diskussion. Umgekehrt bestärkt die Aktivität, welche die Nutzer Ihren Posts entgegenbringen, die Meinung der Multiplikatoren sowie deren Einfluss.
- Messen Sie Online-Marketing-Kampagnen – vor allem, wie oft positive Wörter und Meinungen in einem Zeitraum vorkommen, sortieren Sie Veröffentlichungen über bestimmte Themen nach Kommentaranzahl und -ausrichtung.
- Nutzen Sie Monitoring als Früherkennungssystem, um notfalls gegenzusteuern und zu erkennen, wie Nutzer betreut oder Probleme gelöst haben möchten.
- Kennen und nutzen Sie Ihren Markenstatus, denn Markendefinition und -wert liegen im Social-Web-Zeitalter nicht mehr komplett in Ihrer Hand. Identifizieren Sie Stimmungsmacher für Ihre Marke und die Medienkanäle, in denen die aktivsten Diskussionen stattfinden. Das hilft beigezielter Werbung.
- Bleiben Sie nah am Geschehen, denn die Vielzahl der Diskussionen ist enorm. Oft fängt eine auf der einen Seite an und verliert sich auf der anderen. Nutzen Sie spezielle Keywords für Ihre Suche, verpassen Sie nichts – und klinken Sie sich ein.