Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Automatische Funktionen sind die Zukunft der Rekrutierungssoftware. Papiere auslesen, Bewerber vorsortieren, alles – fast – kein Problem mehr. Das birgt Chancen und Risiken.

Wenn ein Bewerber bei Nikoletta Ouroumi anruft, hat sie in wenigen Sekunden alle Unterlagen zu ihrem Gesprächspartner parat. Die Personalreferentin des Kfz-Spezialisten GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung tippt einfach den Namen in ihr Bewerbermanagementsystem und bekommt sofort das dazugehörige Profil angezeigt. „Ich kann aber auch Bewerber aus einer bestimmten Region suchen oder nur solche, die einen bestimmten Führerschein haben“, nennt Ouroumi weitere Beispiele, wie ihr das System die Arbeit erleichtert. Längst kann spezialisierte Software einen Teil der Personalarbeit im Recruiting übernehmen. Für Unternehmer bedeutet das: Sie riskieren, sowohl Geld als auch Talente zu verlieren, wenn sie die Möglichkeiten digitaler Rekrutierungsprozesse nicht nutzen. Eine Milliarde Euro kostet der ineffiziente und analoge Umgang mit Bewerbungen kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz pro Jahr, schätzt das Softwarehaus Jacando in einer Studie.

Doch wer allein auf die Kosten schaut, gewinnt nur wenig.
Bewerbermanagementsysteme können auch dabei helfen, das Unternehmen für Talente attraktiver zu machen – etwa indem ein Programm zeitig eine Rückmeldung an den Bewerber einfordert. Maximal sechs Wochen sollte der Prozess von der Bewerbung bis zur Entscheidung im Idealfall dauern. Das fand die Candidate Journey Studie 2017 des Portals stellenanzeigen.de und der Unternehmensberatung Meta HR heraus. Zudem würde mehr als die Hälfte der Talente unter 30 Jahren die sogenannte One-Click-Bewerbung nutzen, also die Kontaktaufnahme zu einem Arbeitgeber direkt aus Berufsnetzwerken wie Xing oder Linkedin. Beinahe jeder Fünfte würde sogar eher auf eine Bewerbung verzichten, als ein klassisches E-Recruiting-Formular mit unzähligen Fragen, Kästchen und Freitextfeldern auszufüllen.

Lebensläufe automatisch einlesen

Kurioserweise ist dies aber mit Abstand der beliebteste Wag bei vielen Personalabteilungen. Denn wenn der Bewerber seine Daten so einträgt, dass sie perfekt ins System passen, erleichtert das die Verwaltung. Neuere Entwicklungen im Softwarebereich bieten nun das Potenzial, die Interessen von Bewerbern und Personalern zu vereinen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das CV-Parsing: Der Begriff steht für die Technik, mittels eines spezialisierten Programms auf digitalen Dokumenten Text zu erkennen. Das Ziel ist, aus Lebensläufen alle relevanten Informationen ohne manuelle Eingriffe in die Recruiting-Software aufzunehmen. Mittlerweile haben mehrere Anbieter Umsetzungen dieser Technik in ihre Produkte eingebaut. Auch das automatische Einlesen von E-Mails, beziehungsweise von angehängten Dokumenten, ist möglich. Allerdings würde wohl noch kein Anbieter eine Garantie auf perfekte Ergebnisse geben. Martin Szymanski, Leiter des Produktmanagements bei dem Berliner Bewerbermanagement-Anbieter Softgarden sagt: „Nach unserer Erfahrung funktioniert das Parsing von Standardlebensläufen schon sehr zuverlässig. Umso stärker ein Lebenslauf aber von den gängigen Formaten abweicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fehler einschleichen.“

Diese Fehler können von einem falsch übernommenen Namen bis hin zu inhaltlichen Missverständnissen reichen. Wenn etwa ein Bewerber drei Jahre Erfahrung als selbstständiger Programmierer hat, verarbeitet der CV-Parser die Information womöglich anders als wenn der gleiche Bewerber drei Jahre bei einer IT-Firma angestellt war. Die Information zur Berufserfahrung dürfte für einen Personaler allerdings nahezu gleichwertig sein. Das heißt: Die Technik ist gut, Kontrolle ist – noch – besser. Bei den gängigen Recruiting-Programmen bleiben die originalen Lebensläufe deshalb für den Personaler gespeichert. Einige Anbieter gehen bei dem Problem sogar noch weiter. Das Umantis Bewerbermanagement von Haufe stellt es Bewerbern frei, sich ein Profil beim Unternehmen anzulegen, um ihre Daten nach dem Parsing zu kontrollieren.

Die Guten ins Töpfchen …

Eine weitere Automatisierungsfunktion kann Bewerber nach bestimmten Merkmalen vorsortieren. Doch auch dabei ist Vorsicht geboten. Noch legen Personaler selbst die Kriterien für die Filterung fest – etwas, das sie rechtlich gesehen auch nach Gutdünken tun dürfen, solange es um Qualifikationen geht.

Die weiteren juristischen Leitplanken für den Einsatz von Rekrutierungssoftware finden sich vor allem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Letzteres wird im Mai mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union verschärft. Unternehmer sollten diese Regelungen im Blick haben, auch wenn der deutsche Datenschutz bereits jetzt relativ streng sei, sagt Eva Stark von der Arbeitsrechtskanzlei Altenburg. Sie rät für den Einsatz von Bewerbermanagementsystemen: „Man sollte nicht nach Angaben filtern, die man von den Bewerbern im Gespräch auch nicht erfragen dürfte. In der Regel etwa nach Behinderungen.“ Grundsätzlich gilt: Firmen sollten die ausdrückliche Erlaubnis für eine automatische Verarbeitung von Bewerberdaten einholen. Bei der GTÜ werden diese im System normalerweise nach sechs Monaten anonymisiert, sagt Personalreferentin Ouroumi – natürlich automatisch. Trotz aller Möglichkeiten moderner Software gilt für sie und ihre Kollegen aber auch: Der Blick in den Original-Lebenslauf bleibt nach wie vor wichtig: „In den individuellen Unterlagen der Bewerber sieht man schließlich auch deren Mühe.“ Und bei der Beurteilung solcher Fragen dürften Personaler ihrer Software noch eine Zeit lang überlegen bleiben.