Viele Menschen stoßen beruflich und privat immer wieder an dieselben mentalen Barrieren. Sie trauen sich zum Beispiel nicht, Freunden klar zu sagen, was sie (nicht) wollen. Oder sie scheuen sich, Kollegen um Hilfe zu bitten. Das schmälert ihr Lebensglück und ihren beruflichen Erfolg. Ein paar Tipps, wie Sie diese Falle vermeiden.
Berufsalltag: Schon -zig Mal nahmen wir uns vor, unseren Chef auf eine Gehaltserhöhung anzusprechen. Doch stets verlassen wir sein Büro zwar mit mehr Arbeit, aber nicht mit mehr Geld.
Lebensalltag: Schon 100 Mal schworen wir uns: Beim nächsten Treffen sage ich meiner „Angebeteten“, dass ich sie mag. Doch stets palavern wir über „Gott und die Welt“ – so als seien wir „nur gute Kumpels“. Unsere wahren Gefühle offenbaren wir jedoch nicht.
Falsch programmiert?
Solche Situationen kennt jeder Mensch; Situationen, in denen wir uns anders verhalten, als wir es eigentlich möchten – beruflich oder privat. Denn irgendetwas hindert uns daran. Das ist kein Grund zur Panik – solange wir nur ab und zu an solche (mentalen) Barrieren stoßen. Denn jeder Mensch hat „Up’s“ und „Down’s“.
Bedenklich wird „die Sache“ laut Aussagen der Managementberaterin Sabine Prohaska, Wien, erst, wenn wir immer wieder an dieselben Barrieren stoßen. Denn dann zeigen wir in der Regel ein Ausweichverhalten. Wir reden uns zum Beispiel ein „Mein Chef hat sowieso kein Ohr für mich“ oder „Wenn ich meiner Liebsten meine Gefühle offenbare, zerbricht unsere Freundschaft“.
Ein Grund, warum viele Menschen stets an dieselben mentalen Barrieren stoßen, ist laut Angela Kissel, Geschäftsführerin des Präventionsspezialisten Balance fürs Leben, Urbar: Unser Verhalten wird weitgehend durch mentale Programme bestimmt, die unbewusst in uns ablaufen. Solche Programme haben wir zuhauf verinnerlicht. Und das ist gut so! Denn sie ermöglichen es uns, viele Alltagsaufgaben schnell und (fast) nebenbei zu erledigen – ohne nachzudenken. Zum Beispiel das Zähneputzen, das Autofahren, die Ablage von Dokumenten, das Bedienen des PC.
Übung allein macht keinen Meister
Viele Menschen leiten daraus ab: Wir müssen nur lange und viel üben. Dann beherrschen wir irgendwann zum Beispiel das Flirten, das Verkaufen oder das Führen von Mitarbeitern wie im Schlaf. Also besuchen sie regelmäßig Seminare, in denen sie beispielsweise trainieren, gelassen auf Aggressionen von Mitmenschen zu reagieren und ihre wahren Gefühle zu zeigen. Doch irgendwann stellen sie frustriert fest: Nun war ich zwar schon in -zig Seminaren, aber trotzdem mache ich im Alltag immer wieder dieselben „Fehler“. In den Rollenspielen während der Trainings kann ich zwar meine Interessen formulieren, doch wenn mir im Büro mein Kollege Müller gegenübersteht, werde ich stumm wie ein Fisch. Oder: Im Training pariere ich zwar souverän jede verbale Attacke, doch kaum faucht mich im Treppenhaus meine streitsüchtige Nachbarin an, bin ich ihrem „Schlappmaul“ nicht gewachsen. Im Trainerjargon heißt dies: Den Teilnehmern gelingt der Transfer nicht.
Eine Ursache hierfür ist: In den Trainings werden laut Kommunikations- und Verkaufstrainer Ingo Vogel, Esslingen, oft nicht die mentalen Barrieren bearbeitet, an die die Teilnehmer im Alltag stoßen. Also bereiten ihnen stets dieselben Herausforderungen Probleme, zum Beispiel:
• auf fremde Menschen aktiv zugehen,
• Kritik annehmen, Lob aussprechen,
• Gefühle zeigen,
• die eigenen Interessen klar artikulieren und vertreten,
• Kollegen um Hilfe bitten.
Das nur einige mögliche Herausforderungen und Situationen, in denen Menschen immer wieder an scheinbar unüberwindbare mentale Barrieren stoßen. Der Grund: Dann läuft in ihnen stets derselbe „innere Film“ beziehungsweise dasselbe mentale Programm ab. So lange dieser Mechanismus nicht durchbrochen wird, nutzt das intensivste Training wenig.
Das Überwinden der mentalen Barrieren setzt voraus, dass wir die Programme kennen, die in unserem Kopf ablaufen. Vereinfacht lassen sie sich laut Ingo Vogel in zwei Gruppen einteilen: Ur-Programme und mentale Muster.
Alte Programme in neuer Welt
Die Ur-Programme laufen in uns allen ab. Sie sind das Ergebnis unserer Evolution. Sie entwickelten sich aufgrund der Notwendigkeit unserer Vorfahren, trotz Bedrohung unter anderem durch Kälte, Hunger und Raubtiere zu überleben. Diese Programme aktivieren sich selbstständig, wenn wir bestimmte Umweltreize wahrnehmen. Typische Ur-Programme sind das Flucht- und Angriffsprogramm.
Symptome dieser Ur-Programme nehmen wir laut Vogel immer wieder wahr – zum Beispiel, wenn wir vor Wut zittern oder vor Aufregung feuchte Hände bekommen. Meist empfinden wir diese Reaktionen als störend. Denn anders als bei unseren Vorfahren sind sie heute in unserer „gezähmten“ Umwelt nur noch selten nützlich. Oft mindern sie sogar unsere Lebensqualität. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Prüfungsängste, bei denen der Verstand geradezu auszusetzen scheint, weil ein Fluchtprogramm die Kontrolle über unser Verhalten übernommen hat.
Die Ur-Programme sind bei allen Menschen gleich. Trotzdem reagiert jeder Mensch auf die gleiche Situation verschieden. Während der eine angesichts seiner Angebeteten „weiche Knie“ bekommt, sprüht einer anderer vor Wortwitz. Dieses unterschiedliche Verhalten resultiert daraus, dass Menschen dieselbe Situation verschieden wahrnehmen.
Für diese unterschiedliche Bewertung sorgen die „mentalen Muster“. Sie sind die „Filter“, durch die wir unsere Umwelt wahrnehmen. Sie bestehen unter anderem aus Glaubenssätzen, die wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben. Solche Glaubenssätze können laut Sabine Prohaska sein:
• „Egal, was mir passiert, ich meistere es irgendwie.“
• „Ich bin immer das Opfer.“
• „Alle Menschen müssen mich lieben.“
• „Ich kann mich (nicht) verändern.“
• „Ich bin (k)ein wertvoller Mensch.“
• „Ich bin (nicht) begehrenswert.“
Diese Sätze sind weder beweisbar noch widerlegbar, weshalb sie „Glaubens“-Sätze heißen. Trotzdem gestalten sie unsere Realität. Denn sie beeinflussen unsere Wahrnehmung und bestimmen unsere Reaktion auf Umweltreize.
Angela Kissel erläutert dies an einem Beispiel. Angenommen eine Führungskraft hat den Glaubenssatz verinnerlicht „Ablehnung ist etwas Schlimmes. Alle Menschen müssen mich mögen.“ Wie reagiert sie, wenn sie einen Mitarbeiter wegen mangelnder Leistung kritisieren sollte? Vermutlich erlebt sie die Aufgabe als Bedrohung. Also sucht sie Ausflüchte, um die Aufgabe nicht wahrzunehmen. Oder sie verpackt ihre Kritik in so viel Watte, dass die Botschaft beim Mitarbeiter nicht ankommt. Der Glaubenssatz wirkt sich also „destruktiv“ auf die Arbeit der Führungskraft aus.
Schlüssel zum Innern: die Emotionen
Unsere Glaubenssätze stehen in einem engen Zusammenhang mit unserer Lebensgeschichte. Einige wirken konstruktiv, andere destruktiv. Welche Glaubensätze in uns wirken, können wir ermitteln. Der Schlüssel hierzu liegt in unseren Emotionen. Denn allen Emotionen liegen Glaubenssätze zu Grunde, betont Ingo Vogel. Über sie können wir unsere unbewussten Glaubenssätze ins Bewusstsein heben, so dass wir sie bearbeiten können. Doch Vorsicht: Ein und dieselbe Emotion kann mit verschiedenen Glaubenssätzen verknüpft sein.
Indem wir unsere Emotionen registrieren und analysieren, können wir unsere Glaubenssätze ermitteln. Wir können zudem herausfinden, ob es konstruktive sind oder solche, die zu einem unangebrachten Verhalten führen. Damit ist das Fundament gelegt, um destruktive Glaubenssätze durch konstruktive zu ersetzen und unser Verhalten zu verändern.
Erlerntes verlernen
Dazu gilt es laut Prohaska zunächst, den Irrglauben zu überwinden: Glaubenssätze sind unveränderbar. Das trifft nicht zu! Unsere Glaubenssätze haben wir erlernt. Und was wir erlernt haben, können wir auch wieder verlernen, indem wir uns neue konstruktive Glaubenssätze aneignen. Hierfür müssen wir zunächst zu dem destruktiven Satz ein konstruktives Gegenstück formulieren. Wir können zum Beispiel den destruktiven Glaubenssatz „Ich muss perfekt sein“ durch den Satz „Ich darf Fehler machen und daraus lernen“ ersetzen.
Hierbei muss jeder für sich die passenden Worte finden. Wichtig ist laut Ingo Vogel jedoch, den neuen konstruktiven Glaubenssatz positiv zu formulieren. Also nicht zum Beispiel den Satz „Ich muss perfekt sein“ durch den Satz „Ich muss nicht perfekt sein“ ersetzen. Denn unser Unterbewusstsein reagiert auf Verneinungen nicht.
Haben wir so unsere destruktiven Glaubenssätze in konstruktive umgewandelt, müssen wir sie verinnerlichen. Das gelingt uns zum Beispiel, indem wir sie aufschreiben und dafür sorgen, dass wir immer wieder an sie erinnert werden. Denn das Verankern von neuen Glaubenssätzen dauert seine Zeit. Vogel empfiehlt: Schreiben Sie Ihre konstruktiven Glaubenssätze zum Beispiel auf Notizzettel und kleben Sie diese in Ihr Auto, an Ihren Badezimmerspiegel oder Ihren PC-Monitor im Büro. Dann spüren Sie nach einiger Zeit, wie Sie die Sätze allmählich verinnerlichen und sich Ihr Verhalten ändert.
Andreas Lutz ist als Journalist unter anderem für die PRofilBerater GmbH (www.die-profilberater.de) auf Weiterbildungs- und Persönlichkeitsentwicklungsthemen spezialisiert.