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Creditreform

Mehr Flexibilität, mehr Know-how, mehr Leistung: Büroarbeit wird immer anspruchsvoller – doch hochqualifizierte Wissensarbeiter können von ihrem Arbeitsplatz auch immer mehr verlangen. Das Creditreform-Magazin zeigt, was das Büro der Zukunft alles bieten sollte – und in welche Fallen Unternehmer besser nicht treten.

Rutschen statt Treppen laufen und bunte Sitzecken für ein gemütlich-kreatives Meeting. Solche Einrichtungsexzesse wären Frederick Taylor niemals in den Sinn gekommen. Das Augenmerk eines der größten Managementgurus der 1920er-Jahre, der mit seinen Lehren die US-amerikanischen Büros revolutionierte, lag hauptsächlich auf Effizienz und weniger auf Atmosphäre: Wie lassen sich möglichst viele Mitarbeiter unterbringen – und wie behält der Chef die Kontrolle? Das Resultat: Ein trostlos wirkendes Großraumbüro, Dutzende Schreibtische, Reihe um Reihe angeordnet, ausnahmslos dem Tisch des Vorgesetzten zugewandt, der dadurch den gesamten Raum leicht im Blick hatte.

Digitalisierung: Wie verändert sie unsere Arbeitswelt? Die Studie „Future Business World “ von IDC halten wir hier für Sie bereit: creditreform-magazin.de/buero2025.

In den 1930er-Jahren hielten die Klimaanlage und wenig später auch Kunstlicht aus Neonröhren in den Großraumbüros Einzug – und das Effizienzstreben ging in die nächste Runde: Künftig brauchten sich die Arbeitsplätze nicht einmal mehr in Fensternähe zu befinden – auch deutlich größere Säle ließen sich nun flächendeckend mit Sachbearbeitern füllen. Die 1964 vom US-Möbelhersteller Herman Miller erstmals eingeführten „Cubicles“ boten dem Mitarbeiter immerhin etwas Privatsphäre und Bewegungsfreiheit innerhalb seiner drei Wände. Ein eigenes Büro mit Frischluft und Tageslicht hingegen blieb dem Management vorbehalten und ist in vielen Firmen bis heute wichtig für das Prestige.

Büro als Spiegel der Innovationskultur

Basel im Jahr 2015. Am Hauptsitz der Basler Versicherungen können sich die knapp 100 Mitarbeiter jeden Morgen aufs Neue aussuchen, ob sie lieber an einem konventionellen Arbeitsplatz in der so genannten Homebase Platz nehmen – oder doch eher die Ruhe einer Quiet Zone oder gar die kreativitätsfördernde Wirkung des Business Gardens vorziehen. Meetings werden gern und oft in den Thinktanks abgehalten (mehr zu den Begriffen und typischen Zonen im Büro der Zukunft am Fuße dieses Beitrags). Im Rahmen des sechsmonatigen Pilotversuchs „Neuen Basler Arbeitswelt“ stehen beim Versicherungsspezialisten derzeit statt einer konservativen Bürogestaltung modern ausgestattete Einzelbüros für mehr Konzentration oder vertrauliche Gespräche zur Verfügung.

Alternativ aber auch Kurzarbeitsplätze für das schnelle Memo zwischendurch, eine Medienwand für Stehbesprechungen oder weitere innovative Arbeitsflächen wie die Arena, in der Workshops und größere Versammlungen stattfinden. Dank Notebooks, WLAN und schnurlosen Telefonen lässt sich je nach Terminkalender, aktuellen Aufgaben und eigener Tagesform der optimale Arbeitsort aufsuchen. „Die neue Umgebung eignet sich für den teamübergreifenden Dialog ebenso wie für vertrauliche Gespräche oder konzentrierte Einzelarbeit“, sagt Markus Basler vom Schweizer Büroplaner Total Office Management, der das neue Raumkonzept entworfen hat: „Sowohl Motivation als auch Produktivität der Mitarbeiter profitieren davon.“

Leistung, Motivation und Kreativität fördern

Ein Versicherungskonzern als Vorreiter auch für den Mittelstand? Warum nicht: „Standardisierbare Routineaufgaben sterben aus“, sagt Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Von den Wissensarbeitern der Zukunft sei stattdessen Kreativität gefragt – ihre Aufgaben werden komplexer und verändern sich dynamisch. Im Rahmen des Trends zur New Work, der die neuen Anforderungen in der Büroarbeit mit all ihren Chancen und Risiken zusammenfasst, werden Arbeitsorganisation und Gestaltung des Arbeitsplatzes damit zum wichtigsten Teil der betrieblichen Innovationskultur.

„Damit gehört es zu den Topaufgaben im Management, Kreativität zu fördern“, sagt Rief. Das IAO erforscht daher gemeinsam mit Hochschulen und Konzernen wie Adidas, BMW oder Fujitsu nicht nur, an welchen Orten die Büro- und Wissensarbeit der Zukunft stattfindet – sondern auch, wie sich diese Umgebungen gestalten und ausstatten lassen, um unsere Leistung, Motivation und Kreativität nachhaltig zu fördern.

Home Office: Warum sich Präsenz- und flexible (Arbeits-)Zeiten die Waage halten sollten, steht auf creditreform-magazin.de/homeoffice

Bei Vodafoe Deutschland glaubt man diese Antwort gefunden zu haben: Ende 2012 begann der Konzern damit, seine rund 5.000 Düsseldorfer Mitarbeiter am neuen Vodafone Campus zusammenzuziehen. Im 19-stöckigen Vodafone-Tower und den angrenzenden Gebäudeteilen stehen nun auf insgesamt 86.000 Quadratmetern die Bedürfnisse der Mitarbeiter an erster Stelle, betont der Bereichsleiter Property, Hendrik Grempe: „In das Konzept sind nicht nur wichtige Erkenntnisse über die Gestaltung moderner Arbeitswelten eingeflossen – auch die Mitarbeiter und Teams haben den Gestaltungs- und Umsetzungsprozess aktiv mit Ideen und Vorschlägen begleitet.“

Das Ergebnis: Die Mitarbeiter arbeiten in Großraumbüros, deren Arbeitsumfeld grundsätzlich offen konzipiert ist. Jede Abteilung oder Gruppe hat innerhalb des Gebäudes eine „Homezone“ – einen festen Bereich, in dem sie zusammenarbeiten kann. Um Kommunikation und Austausch zu fördern, wurden die Büroflächen nicht nur um funktionale Elemente wie etwa Besprechungsräume und Lounge-Module ergänzt, sondern auch um 4.000 weitere Arbeits- und Sitzmöglichkeiten neben den Büroarbeitsplätzen und vor allem viel individuellen Raum und Rückzugsmöglichkeiten. Wer ungestört telefonieren oder eine vertrauliche Besprechung halten möchte, kann – wie bei den Basler Versicherungen – „Thinktanks“ getaufte Glasräume mit Schallschutz aufsuchen.

„Doch auch in den offenen Bereichen haben wir auf wirkungsvolle Akustikkonzepte geachtet“, sagt Grempe. Direkt neben den Schreibtischen beispielsweise gibt es Nischen, in denen sich in Ruhe lesen oder telefonieren lässt. Für gesunde Lichtverhältnisse sorgen individuelle Stehleuchten, die sich zwar manuell einstellen lassen, zugleich aber auch mit Präsenzmeldern und Helligkeitssensor ausgestattet sind. Niemand hat mehr ein Einzelbüro, auch die Vorstände nicht.

Bei den Basler Versicherungen stehen den Mitarbeitern schallgeschützte Kabinen für Telefonate und vertrauliche Besprechungen zur Verfügung. © Total Office Management AG

Bei den Basler Versicherungen stehen den Mitarbeitern schallgeschützte Kabinen für Telefonate und vertrauliche Besprechungen zur Verfügung. © Total Office Management AG

Mit diesem Ansatz eines sinnvoll ergänzten Großraumbüros liegt Vodafone im Trend. „Offene Bürokonzepte sind die Antwort auf eine Entwicklung, bei der Ort und Zeit der Arbeit fl exibel bleiben und es nicht mehr um Führung durch Anwesenheitskontrolle, sondern um Ergebnisvorgaben und eigenverantwortliche Steuerung geht“, schreibt Regine Rundnagel von der Arbeitsschutz- und Informationsplattform Ergo-online. Eine Entwicklung, die auch ihre Schattenseiten hat – gerade für weniger unternehmerisch denkende Mitarbeiter.

Bei Vodafone geht das bauliche Flexibilitätskonzept Hand in Hand mit einer Betriebsvereinbarung, die das Arbeiten zeitlich und räumlich neu regelt: Bis zu 50 Prozent der Arbeitszeit lassen sich außerhalb des Büros leisten. Wo die Mitarbeiter während der Präsenzzeiten am Campus arbeiten, entscheiden sie nach Absprache mit Vorgesetzten und Kollegen eigenverantwortlich: Wenn jemand mittags ein Meeting hat, kann es gut sein, dass er sich hierauf in einem Rückzugsbereich vorbereitet – und nicht in der Homezone.

 

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