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Was kann Ihr Programm Precire, was unser Gehör und unser gesunder Menschenverstand nicht können?

Unsere Technologie betrachtet Sprache aus einer ganz anderen Perspektive: Sie „versteht“ nicht, was oder worüber gesprochen oder geschrieben wird. Sie analysiert vielmehr mit Methoden der künstlichen Intelligenz, in welchen akustischen und linguistischen Mustern etwas gesagt oder geschrieben wird. Etwa mit welchen Wortarten und Wortgruppen, in welcher Geschwindigkeit oder Tonlage. Formal-quantitative und prosodische Analyse von Sprache nennen dies Psychologie und Linguistik.

Wie funktioniert das?

Als Basis genügt eine kurze Sprachprobe – etwa aus einem unserer automatisierten Interviews oder aus einer E-Mail. Precire analysiert anhand von bis zu 3.800 sprachlichen Merkmalen, ob der Sprecher eher zu den neugierigen oder praktischen, zu den belasteten oder entspannten, zu den extravertierten oder introvertierten Personen gehört. Wir vergleichen dazu die Sprachmuster des Betroffenen mit einer aus vielen Tausend Probanden bestehenden Referenzgruppe, deren Sprache und deren Psyche und Persönlichkeit wir mit verschiedenen diagnostischen Verfahren exakt analysiert haben. So können wir Eigenschaften herausfiltern, die vielleicht noch nicht einmal dem Kandidaten selbst bewusst sind.

Und die Technologie lässt sich nicht täuschen?

Unsere Vorhersagen sind zu 85 bis 90 Prozent richtig und lassen sich nicht aktiv beeinflussen, weil man – selbst wenn man wüsste, in welche Richtung – seine Sprache in vielen Aspekten verändern müsste. Wer etwa über seine Ich-Bezogenheit hinwegtäuschen will, muss 50 sprachliche Merkmale oder mehr beeinflussen – das ist nicht möglich!

Wobei kann diese Technologie Firmen unterstützen?

Klassisch im Recruiting und in der Personalentwicklung: Statt einen Bewerber zum Einstellungstest zu laden, genügt Precire ein kurzes Telefoninterview, um initial einzuschätzen, wie weit er dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle entspricht. Dazu kann seine Sprachprobe entweder mit einer Referenzgruppe aus unseren Datenbänken verglichen werden – oder wir setzen sie in Relation zu einer Stichprobe solcher Mitarbeiter, die bereits zufrieden und erfolgreich in der jeweiligen Position arbeiten. Darüber hinaus eignet sich Precire für Schulungen und Trainings, die das Kommunikationsverhalten – insbesondere von Führungskräften – überprüfen und optimieren. Meist geht es darum, die psychologische Wirkung des Gesagten zu verbessern, damit beim Zuhörer auch emotional ankommt, was gewollt ist.

Sie erkennen auch psychische Belastungen?

Ja, denn immer mehr Firmen lassen – oft im Verbund mit einer Krankenkasse – Mitarbeiter anonym und freiwillig an einem kurzen Belastungsscreening teilnehmen. Ein kurzes Telefoninterview gibt dabei Aufschluss darüber, wie hoch die psychische Belastung derzeit ist. So können belasteten Mitarbeitern präventive Maßnahmen angeboten werden, um Stress abzubauen, das Zeitmanagement zu verbessern oder Burnout vorzubeugen.

Sie können auch das geschriebene Wort analysieren?

In der Tat können wir etwa feststellen, in welcher Verfassung der Schreiber eines Beschwerdebriefs ist. Daraus lassen sich zahlreiche Verhaltensansätze für den Kundenservice und natürlich auch für den Vertrieb ableiten: Wie schnell muss auf die Beschwerde reagiert werden? Erwartet der Kunde eher eine Entschuldigung oder ist er auf eine finanzielle Entschädigung aus?

Klingt nach vielen weiteren Einsatzbereichen …

Allerdings, letztlich in jeder Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Ein sehr erschöpfter Fahrer geht womöglich ein erhebliches Risiko für sich und andere ein – von Precire unterstützte Autos können in solchen Fällen helfen, Unfälle zu verhindern.

 

Dirk C. Gratzel ist Geschäftsführer der Psyware GmbH. Das Aachener Unternehmen hat eine Technologie zur Sprachanalyse entwickelt, anhand derer sich psychologische Merkmale des Sprechers oder Schreibers ableiten lassen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: unter anderem im Personalbereich, im Kundenmanagement oder in der Gesundheitsförderung.