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Creditreform

Von Ruth Lemmer

Zum dritten Mal in Folge zeichnete die Stadt Detmold den Arbeitgeber Weidmüller Ende Juni aus – als das Unternehmen, in dem die meisten Mitarbeiter das Deutsche Sportabzeichen ablegten. Immerhin 50 Beschäftigte am lippischen Stammsitz hatten ihre Rundum-Fitness in Disziplinen aus dem Geräteturnen und der Leichtathletik bewiesen: Sie schwammen, radelten und liefen. Das Urteil der Stadtväter: Weidmüller bringt seine Mitarbeiter in Bewegung – und zwar vom Azubi bis zum Fast-Rentner. Und das ist nur ein Part im ausgeklügelten Gesundheitsmanagement des großen Mittelständlers.

„Ein Gutteil aller Aktivitäten dienen der Vorbeugung“, sagt Jürgen Ober, der seit sechs Jahren Personal- und damit auch Gesundheitsthemen in der Geschäftsleitung verantwortet. Bei dem Produzenten elektrischer und elektronischer Verbindungen, die sich in Windkraft- und Solaranlagen, in Zügen und Fabriken wiederfinden, gehören die klassische Arbeitssicherheit wie ein jährliches Gesundheitskursprogramm zur Prävention – aber auch Betriebsklima und gute Führung.

Krankenkosten senken

Damit reagiert Weidmüller darauf, dass die alternde Gesellschaft sich vom abstrakten Zukunftsszenario zum personalpolitischen Alltag wandelt. Denn bei der Bewältigung der Folgen spielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) eine Schlüsselrolle: Die Arbeit im Unternehmen beginnt mit der Analyse von Arbeitsunfähigkeitsdaten und dem Arbeitsumfeld: Mediziner, Krankenkassen und Gesundheitsmanager tragen ihr Wissen zusammen. Im BARMER GEK Gesundheitsreport bestimmen Muskel-Skelett-Erkrankungen, gefolgt von psychischen Erkrankungen, die Fehlzeiten (siehe Interview). Die BKK nennt in ihrem Gesundheitsreport 2012 an dritter Stelle bei den Arbeitsunfähigkeitsdaten die Atemwegserkrankungen. Die AOK meldet aktuell einen leichten Anstieg der Krankentage über alle Ursachen hinweg. Auf die wachsende Bedeutung von Volkserkrankungen wie Diabetes, Hypertonie oder Adipositas verweist die DEGS-Studie des Robert-Koch-Instituts. Diese Erkenntnisse müssen, um langfristig mit einem Gesundheitsmanagement Krankheitskosten zu reduzieren, auf das einzelne Unternehmen heruntergebrochen werden. Hilfreich sind Beschäftigtenbefragungen und Gesundheitszirkel, die die passenden Interventionen herausfiltern.

Weidmüller hat sich für einen hauptamtlichen BGM-Mitarbeiter und ein ganzes Bündel Einzelaktivitäten entschieden. So werden Beleuchtung und Mobiliar in den Büros, Monitore und Arbeitsplätze im Werk regelmäßig auf den aktuellen ergonomischen Standard gebracht. Ein Facharzt für Arbeitsmedizin – nicht bei Weidmüller angestellt, aber kontinuierlich unter Vertrag – beurteilt die Arbeitsabläufe. Für Beschäftigte ab 57 Jahre gibt es Extras wie einen Gesundheits-Check, mehr Urlaubstage und – auf Wunsch – flexible Teilzeit. „Wir wollen die Mitarbeiter dieser Altersgruppe gesund und motiviert halten“, begründet der promovierte Jurist Ober diese demografiegetriebenen Angebote, die einen „nennenswerten sechsstelligen Betrag“ kosten. Und ergänzt: „Es ist insgesamt eine bessere Investition, als ab 55 über den vorgezogenen Ausstieg zu reden.“

Azubis mit Fitnesspass

Doch nicht nur die Älteren stehen im Fokus. Da Herz-Kreislauf- und Skelett-Erkrankungen die Folge von langjähriger mangelnder Bewegung, ungesundem Essen und Stress sind, startet die betriebliche Gesundheitsvorsorge schon bei den Teenagern: Auszubildende erhalten einen Fitnesspass. Einer der Ausbilder ist Sporttrainer und arbeitet daran, dass alle Azubis das Sportabzeichen machen. Für Beschäftigte aller Altersgruppen stehen im Jahreskalender die gemeinsamen Aktionen: Fußball und Firmenläufe, bei denen es Weidmüller schon auf 169 Teilnehmer in Firmen-T-Shirts brachte, Vorträge zur Organspende und zu gesundem Kochen, Massageservice und eine Verlosung für die, die nachweislich „Mit dem Rad zur Arbeit“ fahren.

Und schließlich werden die Führungskräfte für die Gesundheit sensibilisiert – die eigene ebenso wie die der Mitarbeiter. Ein Kardiologe informiert über frühe Anzeichen des Herzinfarkts, eine Suchtberater über die Verharmlosungstendenzen beim Thema Alkohol. Alle zwei Jahre werden die Mitarbeiter befragt, 2014 zum ersten Mal weltweit. Führungsqualität und Betriebsklima werden bewertet. Das jährliche Mitarbeitergespräch hat bei Vorgesetzten gute Führung zum Thema. Immerhin schlägt erwiesenermaßen schlechte Führung auf Gesundheit wie Loyalität.

Deshalb richtet auch die Deutsche Post DHL in Bonn neben einem ganzen Kanon an Einzelaktivitäten zur Gesundheit – von „3.000 Schritte extra“ bis zum EKG Monitoring – ihren Blick auf die Führungskräfte. Sie erhalten fachliche und psychologische Unterstützung, wenn betriebliche Veränderungen in Abteilungen oder an einzelnen Standorten anstehen und wenn Probleme mit der Leistung oder dem Verhalten einzelner Arbeitnehmer auffällig werden. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hat der Konzern außerdem ein eLearning-Tool zu „Führung und mentale Gesundheit“ entwickelt, das leicht verständlich Vorschläge liefert, wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter vor stressbedingter Überlastung schützen und selber gesund bleiben. Psychische Gesundheit wird hier ebenso ernst genommen wie körperliche Fitness. Andreas Tautz, Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes der Deutsche Post DHL: „Ernährungs-Check und Krebsvorsorge, Schutzimpfungen, autogenes Training und Fitnessangebote – das sind alles Beispiele für Gesundheitsangebote an unsere Mitarbeiter. Aber nur in Verbindung mit einer gesundheitsförderlichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen, inklusive der Umgangs- und Führungskultur wird Betriebliches Gesundheitsmanagement wirklich effizient.“

Doch auch kleinere Firmen als der Postkonzern und das Detmolder Familienunternehmen Weidmüller mit seinen weltweit 4.500 Beschäftigten können erfolgreich Gesundheitsmanagement betreiben: durch überbetriebliche Kooperationen mit Fitnessstudios und Sportvereinen, mit Gesundheitsdienstleistern wie Skolamed in Bad Godesberg, dem Fürstenberg Institut in Hamburg oder der B.A.D. GmbH in Bonn. So kann sich jede Firma ein rundes Paket Gesundheitsmanagement maßschneidern. Geschäftsleiter Jürgen Ober, der selbst bei Firmenläufen mit rennt, betont: „Wir schlagen einen Bogen von der Ausbildung bis zum Ausstieg.“ Die Mitarbeiter honorieren das: Bei Weidmüller liegt die Krankenquote insgesamt unter vier Prozent.

Checkliste: So führen Sie Betriebliches Gesundheitsmanagement Schritt für Schritt ein

  • Vor den Erfolg hat das BGM die gründliche Analyse gesetzt: Mitarbeiter (Alter, Geschlecht, Fitness) und Arbeitssituation (Büro/Werk/Schichtarbeit) müssen erfasst werden. Falls greifbar (etwa über eine BKK) können statistisch-anonymisierte Gesundheitsdaten ausgewertet werden.
  • Das Gesundheitsempfinden wird über eine Mitarbeiterbefragung dargestellt, die auch die Wünsche zum Thema Gesundheitsaktivitäten berücksichtigt.
  • Abgeglichen werden diese Daten mit anderen Unternehmen der Branche.
  • Die bisherigen Gesundheitsaktivitäten (Betriebssport, Kantine) werden aufgelistet.
  • Ein Gesundheitszirkel erarbeitet das Gesamtkonzept, in dem Vorhandenes und Notwendiges verbunden werden.
  • Impulsveranstaltungen wie ein Gesundheitstag erhöhen die Aufmerksamkeit. Kurse, Infoveranstaltungen, Sport-AG laden zum Mitmachen ein.
  • Führungskräfte müssen ihre Rolle im BGM aufgreifen – mit Unterstützung der Topmanager.
  • Nach rund zwei Jahren sollte es eine Evaluation geben.

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