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Creditreform

Kein Unternehmer spricht gerne Kündigungen aus. Doch damit anschließend alles reibungslos weiterläuft , muss der Chef die ausscheidenden Mitarbeiter unterstützen, den bleibenden Kollegen neue Perspektiven bieten – und mit ihnen gemeinsam an der strategischen Neuausrichtung arbeiten.

Entlassungen gehören zu den einschneidendsten Erfahrungen im Leben eines Arbeitnehmers. Er ist geschockt, verärgert, zweifelt an seinen Fähigkeiten und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Nicht wenige fühlen sich von der Geschä ftsleitung und den Vorgesetzten im Stich gelassen – und ahnen nicht: Diese sind in der Regel selbst mit der Situation überfordert.

„Für das Management heißt es nun, das Unternehmen wieder fit und rentabel zu machen“, sagt Anja Schauenburg von Schauenburg – Die Personalumbauer, die seit mehr als zwölf Jahren Umbauprojekte bei Mittelständlern und Konzernen begleitet. Was viele Chefs ihrer Erfahrung nach übersehen: Bleibende Mitarbeiter achten im Abbauprozess sehr genau darauf, wie mit den entlassenen Kollegen umgegangen wird. „Empfinden sie den Trennungsprozess als ungerecht, mindert das ihr Engagement und ihre Produktivität“, so Schauenburg. Schlecht komme auch an, wenn die Leistung der Entlassenen nicht entsprechend gewürdigt werde und diese nur als Kostenfaktor gesehen würden.

Keine Macht dem Flurfunk

Von 165 Arbeitsplätzen sollten 100 abgebaut werden – vor dieser großen Herausforderung stand 2009 der Kieler Standort von Eastman Kodak. „Es war für alle eine schwierige Situation“, erinnert sich Sönke Dehn, damals Betriebsleiter. Im Unternehmen wurde wild über die Schließung des gesamten Standorts spekuliert, sodass am Ende alle um ihren Arbeitsplatz bangten. Dehn: „Oberste Priorität hatte deshalb, die verbleibende Mannschaft neu zu motivieren und die ausscheidenden Mitarbeiter in ihren Bewerbungsbemühungen zu unterstützen.“

Keine leichte Aufgabe, denn ein Großteil der Gekündigten war bereits älter als 40 Jahre und hatte ausschließlich im Bereich Druckmaschinen gearbeitet. „Um unsere Mitarbeiter zu vermitteln, haben wir Führungskrä fte aus Betrieben der Windenergie, Medizintechnik und des Anlagenbaus eingeladen“, erzählt Dehn. In Kleingruppen stellten diese ihren jeweiligen Aufgabenbereich mit den geforderten Kernkompetenzen und Fähigkeiten vor. Die Entlassenen konnten Fragen stellen und bekamen Informationen aus erster Hand. Darüber hinaus wurden noch Personaldienstleister eingeladen. „Neun von zehn Mitarbeitern fanden so innerhalb der Kündigungsfrist eine neue Anstellung“, sagt Dehn. Für jeden Kollegen, der ging, gab es eine kleine Abschiedsfeier in der Abteilung, bei der auch die Geschäftsführung anwesend war – eine Geste, die dem Selbstwertgefühl der Mitarbeiter guttat.

„Es kommt schlecht an, wenn die Leistung der Entlassenen nicht gewürdigt wird – oder sie gar nur als Kostenfaktor angesehen werden.“ Anja Schauenburg, Expertin für Personalumbau

Das Eastman-Kodak-Beispiel zeigt aber auch, dass das Augenmerk bei Kündigungen nicht nur auf die Betroffenen zu richten ist: „Es gilt auch, den Verbleibenden eine Perspektive zu bieten und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen“, sagt Schauenburg. Schließlich seien auch sie verunsichert und fragen sich: Bin ich der Nächste? „Hier ist es an den Chefs, gegenzusteuern und den Mitarbeitern Raum für ihre Ängste zu geben“, so die Personalexpertin. Etwa bei Workshops oder informellen Treffen zur Kaffeepause, um die angeschlagene Vertrauensbeziehung zwischen Mitarbeitern und Management wiederherzustellen.

Wunden heilen

Auch bei Eastman Kodak war der offene Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern, Geschäftsführung und Betriebsrat der Schlüssel zum Erfolg. „Wir haben verschiedene Veranstaltungen organisiert, um alle Mitarbeiter über den Status quo zu informieren und um Gerüchten vorzubeugen – etwa bei einem gemeinsamen Frühstück“, erzählt Dehn.

Auch für den Anschluss an den Trennungsprozess rät Expertin Schauenburg zu Gruppenveranstaltungen, um sich mit der veränderten Situation auseinanderzusetzen und nach vorne zu blicken. „Nimmt das Management Kritik und Anregungen auf und setzt diese zielgerichtet mit einem festen Maßnahmenplan um, haben die Mitarbeiter einerseits das Gefühl, ernst genommen zu werden“, hat die Personalexpertin beobachtet. „Andererseits gewinnt das Unternehmen frische Ideen, um am Markt wieder erfolgreich zu sein.“ Und der Neuanfang kann beginnen.

 

ENTLASSUNGEN? BITTE NUR MIT UMSICHT

Fünf Aspekte, die Firmenchefs beachten sollten, wenn sie Mitarbeiter entlassen müssen:

Transparenz wahren. Frühzeitig alle Mitarbeiter über die anstehenden Kündigungen informieren. Dabei alle Fakten und nächsten Schritte offenlegen: Wie viele Mitarbeiter müssen gehen und wann? Welche Hilfestellungen erhalten sie? Was bedeuten die Entlassungen für die bleibenden Mitarbeiter?
Trennungsgespräche führen. Diese sollten nicht länger als 15 Minuten dauern und klar strukturiert sein – inklusive Gründe für die Kündigung, Folgetermin und Überleitung zu einem weiterführenden Gespräch mit einem Coach oder Berater.
Für Normalität sorgen. So unangenehm die Situation auch ist: Es ist wichtig, den Tagesablauf beizubehalten und die scheidenden Mitarbeiter nicht plötzlich mit Samthandschuhen anzufassen, sondern sich gewohnt wertschätzend zu verhalten.
Freiräume schaffen. Den Betroffenen sollte jede Möglichkeit gegeben werden, sich beruflich neu zu orientieren und Vorstellungsgespräche wahrzunehmen.
Gekündigte unterstützen. Vor allem das Management kann seine Kontakte zu Kunden, Lieferanten und anderen externen Partnern nutzen, um sich nach passenden Stellen umzuhören. Auch eine Jobbörse mit internen Stellenausschreibungen benachbarter Unternehmen hat sich bewährt