„Ich bin raus“ – der Claim des Outdoor-Bekleidungsherstellers Schöffel spiegelt zugleich die unangepasste Haltung des gesamten Unternehmens wider. Chef Peter Schöffel über entspanntes Schwitzen, Risiko und Kreativität in der Nische.
Heute haben wir Nebel, drei Grad in Schwabmünchen – ideale Bedingungen für Sie als Outdoorhersteller?
Schmuddelwetter ist für unsere Branche immer gut. Wir freuen uns besonders über einen frühen Kälteeinbruch vor Weihnachten. Denn dann verkauft der Handel noch zu regulären Preisen.
Verregneter Sommer, kalter Winter – die Geschäfte laufen. Lässt es sich auf diese simple Formel reduzieren?
Absolut. Das Wetter ist für uns wesentlich stärker prägend als die Konjunktur. Während der Finanzkrise 2008/09 hat uns permanentes Jackenwetter wunderbar in die Karten gespielt. Wir hatten tolle Wachstumsraten. Dagegen hat der Winter 2013/14 faktisch nicht stattgefunden – eine Zäsur für die Branche.
Sie besetzen stark die Felder Ski und Wandern. Was aber macht Schöffel im Sommer, wenn man Badehose trägt?
Wir haben es geschafft, „Freizeit draußen“ zum Zwölfmonatsthema zu machen. Im Sommer sind UV-Schutzhemden und Funktionsware für den Feuchtigkeitstransport gefragt. Nicht so umsatzstark wie eine teure Jacke, aber es ist ein Ganzjahresgeschäft.
Eine Studie von Mafo.de dürfte Sie nicht erfreut haben: Ihr Slogan „Ich bin raus“ kam unter zehn getesteten Botschaften von Outdoorfirmen am schlechtesten an.
Das macht mich gar nicht nervös. Wir sind zwei Jahre mit dem Claim unterwegs und merken, dass er richtig gut greift. Dass er polarisiert, war die Idee. Ich bin überzeugt, dass Marken Haltung brauchen und nicht nur lieblich um die Ecke kommen dürfen.
Was bedeutet Ihnen „Ich bin raus“ persönlich?
Der zweideutige Claim, der übrigens mit dem bronzenen Effie ausgezeichnet wurde, passt zu uns als familiengeführtem Mittelständler: weg vom Quartalsbericht, hin zur langfristigen Denke. Mit dieser Positionierung und dem Augenzwinkern haben wir die Chance, die Köpfe und Herzen der Konsumenten zu erreichen.
Im Spot werden reihenweise Leute genannt, die mal bitte den Mund halten sollen: High-Potentials, Key-Performer und Indoor-Stepper. Sind es nicht genau diese Wannabes, die Sie als Kunden brauchen?
Das ist ja nicht dogmatisch-oberlehrerhaft. Die Kampagne regt einfach zum Nachdenken an: Ist ja schön, wenn du hier deine Rolle spielst, aber ist es das denn wirklich? Wo bist du denn du selbst? Nicht immer höher, schneller, weiter. Mach doch Sport für dich – und nicht gegen dich. Wenn du Bergsteigen gehst, mach es doch mit deinen Freunden – und nicht gegen deine Freunde. Es geht um einen entspannteren Umgang: Man sollte sich nicht permanent selber Zwänge auferlegen. Gerade in der heutigen Zeit, wo wir Getriebene sind, glauben wir, dass da etwas Großes dahintersteckt. Für uns ist es eine emotionale Goldmine.

Lange Tradition: Was als kleiner Handel für Strumpfwaren in der Strickerhochburg Schwabmünchen begann, … © Schöffel
Wohl nicht umsonst haben Sie Ihren ersten Schöffel-Lowa-Store direkt neben der Börse in Frankfurt aufgemacht. Also dort, wo die Gestressten rumlaufen.
Diese gestressten Banker können aber genauso gestresste Mütter sein, gestresste Familienväter. Das ganze Lebensumfeld wird ja immer getakteter, wir sind immer erreichbar. Die Haltung „Ich bin raus“ passt genauso zur Kleinstadt wie zur Großstadt. Sie passt zur Börse wie zum Beamten. Sie passt ideal zum Thema Wandern, wo es nicht um Pulszähler gehen sollte, sondern um das Kontemplative. Eben: Schwitzen macht Spaß.
Sie betonen immer, einen Kampf mit den Kostenführern vermeiden zu wollen.
Kostenführer kann nur der Größte sein, da hätten wir keine Chance. Und man müsste den Standort Deutschland kritisch hinterfragen. Wir wollen Qualitätsführer sein. Wir wollen der Schnellste sein und in einer Kultur arbeiten, die Kreativität fördert. Meines Erachtens die einzige Chance, die ein Mittelständler hat.
Mit dem zuletzt eingeschlagenen Schwenk in Richtung Kinderbekleidung landen Sie aber in Konkurrenz zu C&A und H&M, mitten im Preiskampf. Ist das kein Widerspruch?
Strategisch ist uns völlig klar, dass wir mit Kinderprodukten nicht wirklich Geld verdienen können. Wir haben ordentliche Anfangserfolge, aber wir können keine vollumfängliche Marge erzielen. Uns ist das Thema dennoch wichtig, weil unsere „Ich bin raus“-Markenstrategie auch junge Familien anspricht. Da wollen wir die Kinder nicht ausblenden.
Sie reinvestieren einen erheblichen Teil Ihrer Umsätze ins Marketing. Können Sie Zahlen nennen?
Durch die TV-Kampagne ist der Anteil auf deutlich über zehn Prozent gestiegen. Ich wollte nicht nach ein paar Jahren feststellen müssen, dass ein Großer uns die Message geklaut hat. Also: Da wir gesund sind, greifen wir doch mal ins Eigenkapital und in unsere Reserven. Das ist doch das Schöne am inhabergeführten Unternehmen: Man kann auch mal drei bis fünf Jahre Ertragsverzicht üben. Deshalb haben wir damals ganz beherzt ins Marketing investiert und so getan, als wären wir als Marke schon doppelt so groß, wie wir eigentlich waren.
Ging Ihre Aussaat auf?
2014 haben wir einen Umsatzrekord erzielt mit rund 100 Millionen Euro. Allerdings ist der Sport- und Outdoormarkt in eine flachere Wachstumsphase übergegangen. Die einfachen Zeiten des zweistelligen Wachstums sind definitiv vorbei. Wir erleben einen klassischen Verdrängungsmarkt.
Können Sie durch Erweiterung in benachbarte Produktfelder – etwa Arbeitsbekleidung – gegensteuern?
Unsere eigenständige Division Schöffel Professional Wear wendet sich an Industriekunden, wir haben da durchaus Synergien. Mit BMW machen wir Motorradanzüge und es gibt Firmenkunden, die für ihre Mitarbeiter wirklich hohe Qualität suchen.

… ist heute ein international agierendes Familienunternehmen mit 100 Millionen Euro Umsatz und Niederlassungen in 20 Ländern. © Schöffel
Gore-Tex war ja der Stoff, der Schöffel bekannt gemacht hat. Welche Rolle spielt die Marke heute für Schöffel?
Gore-Tex war tatsächlich unsere Trägerrakete in den 1980er-Jahren, sie hat damals fast 100 Prozent unseres Portfolios ausgemacht und half uns, die Marke hochzufahren. Heute macht Gore-Tex nur noch unter zehn Prozent bei uns aus.
Sie sind Ausrüster des österreichischen Skiverbands. Wie wichtig ist Schöffel sportliche Performance?
Wir haben gerade einen neuen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben. Dreimal in Folge haben wir den Weltcup der Herren gewonnen, zuletzt auch den der Damen. Klar: Es deckt sich nicht unmittelbar mit „Ich bin raus“, denn hier stehen Leistung und Spitzensport im Fokus. Es ist ähnlich wie bei Mercedes-Benz in der Formel 1. In erster Linie geht es um internationale Markenbildung, daneben aber um einen Know-how-Transfer vom Rennsport in die klassische Skibekleidung.
Sollten Sie nicht besser den DSV sponsern?
Ich schätze die Kollegen des Deutschen Skiverbands und dessen Ausstatter. Uns geht es, da wir ein internationales Unternehmen sind, um den Anspruch, die Besten zu haben. Und im Gegensatz zum Fußball sind das im Skifahren die Österreicher. Gerade in Märkten wie Russland oder China ist es gut, den Weltcupsieger oder Goldmedaillengewinner in der Abfahrt zu haben.
Wie verteilen sich die 30 Prozent Exportanteil?
Unsere DACH-Region stellt unsere wichtigsten Exportmärkte dar, dann kommen Frankreich, Benelux und UK. Wenn wir außereuropäisch denken, sind Russland, China und Südkorea die drei herausragenden Märkte.
Nun gehen Sie auch Japan an. Mit welchen Erwartungen?
Ich war viel in Asien unterwegs, weil da auch die persönliche Karte sehr viel zählt. Japan ist ein Riesenmarkt, witterungstechnisch spannend – ähnlich wie Deutschland. Japaner stehen auf deutsche Marken und es gibt sehr viele Konsumenten, bei denen Geld zweitrangig ist. Die schätzen attraktive, differenzierende, kantige Produkte. Familiencompany, gegründet 1804 – das hat gerade in Asien einen enormen Stellenwert.
Muss man Japanern ein abgefahrenes Design bieten?
Es war mir speziell wichtig, dass man in Japan und Korea nicht einen neuen Schöffel erfindet. Klare Marschroute: Wir müssen Kunden finden, die auch die Philosophie und Designhandschrift von Schöffel verstehen und umsetzen. Baut mir also keinen Toyota statt Daimler, sondern haltet die Core-Identity von Schöffel.
Wie viel Spaß macht es Ihnen, vor eine Kamera zu treten und eine Kollektion für ein Internetvideo vorzustellen? Es ist ja schon bemerkenswert, dass der Chef persönlich moderiert.
Für mich ist es die interessanteste Aufgabe, unsere Produkte und Werte zu repräsentieren. Ich möchte mit niemandem tauschen. Warum? Es ist mein eigenes Unternehmen, das ist gesund, es ist eine superspannende Branche. Wenn man mit Freizeit und Sport handelt, ist es etwas anderes als mit Schrauben oder Lebensmitteln. Mein Beruf ist für mich reines Hobby. Etwa mit einem Marcel Hirscher [österreichischer Weltcupsieger] Skifahren zu gehen, um Produkte zu testen, und dafür auch noch bezahlt zu werden. Ich hoffe, das Finanzamt liest das nicht.