Seit 1957 läuft auf dem alten Kontinent Europa das größte politische Projekt der letzten 150 Jahre namens EU. Als Gegenstück zu der blutigen Historie mit zwei Weltkriegen wird das Experiment in mehreren Stufen durchgeführt. Seit 1989 sind Länder hinzugekommen, seit 2002 wird die politische Union flankiert von einer Währungsunion, trotz vieler volkswirtschaftlicher Bedenken. Kritik hat es reichlich gegeben zu Institutionen, Politik und Selbstverständnis. Dabei ist nur zu oft aus Unkenntnis übertrieben worden oder es wurden populistische Süppchen gekocht.
In den letzten Monaten hat sich die Situation drastisch verschlechtert. Es zeichnen sich große Risiken für das Projekt ab, Fallgruben ganz unterschiedlicher Art. Über dem unsäglichen Griechenlandproblem sind eine Reihe anderer Bedrohungen in den Hintergrund getreten:
ist nicht ausgeschlossen, dass nach dem Modell Syriza eine neue Linkspartei die spanische Mitgliedschaft bedroht und das tradierte Parteiensystem ins Wanken gerät. Sogar von „Lateineuropa“ ist schon die Rede. Auch Großbritannien wählt und die Meinungsumfragen in Sachen EU-Mitgliedschaft verschlechtern sich. Die europakritische Partei Ukip wird bereits als Koalitionspartner gehandelt und soll als Preis eine vorgezogene Volksbefragung verlangen. Das Horrorwort heißt „Brexit“. Selbst in Frankreich droht Ungemach: Madame Le Pen hat inzwischen eine Größenordnung von 25 Prozent für ihre Antieuropa-Partei erreicht. Daneben weitet der russische Präsident Putin seine Bemühungen zur Destabilisierung Europas unverdrossen aus. Die Stichworte heißen: Ungarn, Slowakei, Serbien oder Griechenland.
Zur Person
Uwe Hoch stand 24 Jahre als Verlagsdirektor und Geschäftsführer an der Spitze der Verlagsgruppe Handelsblatt.
Und überhaupt Griechenland. Was die Marx-Brothers aus Athen in den ersten Monaten ihrer Regierung gezeigt haben, hat beim besten Willen nichts mit Problemlösung zu tun. Mangelndes politisches Handwerk, dramatisch überschätzte Kräfte und eine aus den Fugen geratene Kommunikation haben dazu geführt, dass sich die Probleme des Landes bis zur Stunde eher verschärft haben. Wer glaubt schon daran, dass eine Mischung aus Linkssozialisten, Marxisten und rechtsradikalen Einsprengseln ausgerechnet eine marktwirtschaftliche Politik in ein Reformprogramm umsetzt. Dazu kommt, dass es trotz aller Versuche, die Gespräche wieder freundschaftlicher zu gestalten, in Griechenland weitaus mehr Probleme gibt, als auf dem Tisch liegen. Die staatlichen Einwirkungen auf alle Bereiche des Lebens sind so umfassend, lähmend und korruptionstreibend, dass eine Politikertruppe, die im staatlichen Wirken reformerisches Potenzial sieht, keinen Erfolg haben wird. Sie müsste eine ganze Gesellschaft umerziehen. Der „Grexxident“ lauert weiter.
Dennoch: Das politische Europaprojekt muss unbedingt am Leben erhalten werden. Zugegeben, die Aufgabe ist unangenehm und riesig für die Politik. Zur Euro-Währung, die auch zurzeit schwächelt und von der EZB einem großen Experiment unterzogen wird, gibt es vielleicht in einzelnen Ländern eine Alternative, wenn auch eine extrem teure. Zur politischen Union, die eine Friedens-Union ist, gibt es keine.