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Gunther Wobser ist für ein Jahr ins Silicon Valley gezogen. Der Chef von Lauda, Weltmarktführer für Temperiergeräte, arbeitet seitdem an der Balance zwischen Kerngeschäft und neuen Produkten – für den Familienunternehmer auch persönlich ein höchst forderndes Unterfangen.

 

Herr Wobser, Sie führen Lauda in dritter Generation. Was ist die wichtigste Stellschraube für Sie, damit es auch eine vierte gibt?

Da gibt es immer zwei Seiten. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen sicher durch turbulente Meere zu führen, es mit meiner Mannschaft erfolgreich zu machen. Da bin ich voll motiviert, schon aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus. Die andere Seite ist die nächste Generation. Ich habe einen Sohn, der jetzt knapp 16 Jahre alt ist. Wir reden schon ab und zu über das Unternehmen. Gerade die Zeit im Silicon Valley fand er cool, mit Start-ups und Technologie.

Vor zwei Jahren sind Sie mit Ihrer Familie ins Silicon Valley gezogen, nachdem Sie das US-Unternehmen Noah Precision gekauft hatten. Was hat Sie bewogen, das Ganze vor Ort selbst in die Hand zu nehmen?

Dass ich Firmen nach einer Akquisition selber betreue, ist nicht so ungewöhnlich. Das erste Mal haben wir 2011 im Ausland zugekauft, in Spanien. Da habe ich zwei Wochen später ein Haus in der Nähe von Barcelona gekauft und war regelmäßig mit meiner Familie dort. Bei Noah Precision, die wir 2014 übernommen haben, war gerade die Übergangszeit von drei Jahren abgelaufen, die wir bis zum Ausscheiden der Ex-Inhaber vereinbart hatten. Da war es gut, in Zeitzone zu sein. Aber der Hauptgrund war, dass ich für mich persönlich und für die Firma lernen wollte, wie Innovation geht.

Ist das nicht ein Affront gegen die Gründergeneration und gegen Ihre Belegschaft in der Heimat, die ja auch viele neue Technologien und Produkte entwickelt hat?

Man muss die Evolution eines Unternehmens berücksichtigen. Mein Großvater war der Erfinder und Wissenschaftler, der wollte das ausleben. In der zweiten Generation hat sich das ein bisschen verteilt: Mein Vater hat die Erfinderrolle übernommen, allerdings schon mit mehr Strukturen. Mein Onkel war der Produktionsmann an seiner Seite. Heute hat sich die Rolle mehr auf den Markt, hin zu den Anwendern verlagert. Es läuft stärker über Nutzerbedürfnisse. Und dann wird versucht, entsprechende Angebote aufzusetzen.

Sie haben also ein Jahr lang im Silicon Valley gelebt. Gab es ein prägendes Erlebnis als Unternehmer?

Das prägende Ereignis gab es schon ein bisschen davor: Das war ein Kurs in Stanford über Leadership, der mir die Augen geöffnet hat. Da habe ich verstanden, was Leadership bedeutet – im Unterschied zu Management. Das war ein Schlüsselerlebnis dafür, dass ich gesagt habe: Mensch, ich will da mal länger hin.

Was ist denn der Unterschied?

Ganz typisch kommt man über eine Fachfunktion ins Unternehmen rein, wird später Manager. Dann kommt die Phase, in der man andere unterstützt beim Management – man muss die Rolle verändern. Leadership heißt, das Unternehmen in die Zukunft zu führen, zu inspirieren, mit eigenem Beispiel voranzugehen. Das Unternehmerische, Vorausdenkende – das differenziert vom klassischen Manager.

Sie haben neuerdings ein Innovation Lab im Silicon Valley. Auch um die heimische Forschung und Entwicklung anzustacheln?

Das könnte schon sein. Ich habe jüngst das erste Produkt aus dem Innovation Lab hier auf den Tisch gestellt, beim Management Meeting. Da war schon die Reaktion: Huch, was ist das jetzt? Ein bisschen Erstaunen. Anstacheln fände ich ganz okay, dass jeder motiviert ist, innovativ zu sein. Dass Innovation überall stattfindet, das ist meine Philosophie, mein Mantra. Aber das Innovation Lab ist nur eine Facette davon. Deshalb habe ich intern auch ein Ideenmanagement aufgebaut mit verschiedenen Gleisen. Davon gibt es 16 Stück und das Lab ist nur ein Gleis. Jeder muss innovativ sein.

Und das klappt?

Es wird immer noch etwas kritisch beäugt und gefragt: Sind die in den USA jetzt innovativ und wir nicht? Ich sage: Nein, jede Innovation ist etwas wert. Es gibt kleinere und größere Innovationen. Auch das Portfolio up to date zu halten, ist ungeheuer wichtig. Denn damit verdienen wir unser Geld.

Was genau haben Sie denn auf den Tisch gestellt?

Das ist natürlich streng geheim. Wir können uns vielleicht auf einen kleinen, mobilen Kühlschrank einigen, um persönliche Medikamente zu transportieren. Das ist schon innovativ, denn wir haben bislang nichts Mobiles und nichts, was Privatleute kaufen können.

Nun sind Sie seit einem Jahr zurück am Hauptsitz Lauda-Königshofen – was hat sich beim Leader Gunther Wobser durch die Auslandsstation geändert?

Die ehrliche Antwort wäre, dass ich in einem ständigen Rollenkonflikt bin und dass das auch unheimlich anstrengend ist. Ich habe mal gesagt: Wäre ich bloß nicht dagewesen, dann wüsste ich gar nicht, was das ist. Ich will das Neue, aber auch das Kerngeschäft nach vorne bringen.

Und konkret?

Konkret hat sich verändert, dass ich jetzt weiß, was wir tun müssen, und eine gute Vorstellung davon habe, wie wir neue Ideen hervorbringen und kultivieren können. Ich will Innovation beherrschbar machen. Das klingt wie ein Widerspruch, aber Innovation entspringt keinem Waldspaziergang, sondern einer Systematik. Vor allem geht es darum, wie man Ideen testet. Die Kunst ist, möglichst früh zu scheitern. Scheitern gibt’s dann eigentlich gar nicht, denn ich kann die Idee immer noch verändern.

Sie haben auch eine Kooperation mit dem Dresdner Start-up Watttron geschlossen, das Sie in San Francisco kennengelernt haben. Hat es sich schon ausgezahlt?

Watttron hat eine Keramik erfunden, die pixelgenau erhitzt werden kann. Das ist fantastisch. Wir haben noch nichts verkauft, aber in den USA, wo wir die Vertriebsrechte haben, sind wir an ganz großen Kunden dran.

Wer nutzt denn die Technik?

Der jetzige Markt ist die Verpackungsindustrie. Sie können dadurch, dass pixelgenau erhitzt wird, etwa einem Joghurtbecher unterschiedliche Dicken zuweisen, was bis zu 30 Prozent Material spart. Das ist ein super Argument. Eine andere Anwendung ist das Versiegeln von Kaffeekapseln. Da sind wir knapp vorm Erfolg.

Parallel treiben Sie die Digitalisierung voran: mit einer eigenen Lauda Cloud oder neuen Touch-Displays. Wo liegt der Fokus – bei den Produkten oder in der Produktion?

Als ich Digitalisierung zu unserem obersten strategischen Unternehmensziel erklärt habe, guckten mich alle an und fragten: Warum? Was uns geholfen hat, war ein Digitalisierungs-Check des Fraunhofer-Instituts, als Bestandsaufnahme. Die befanden, dass wir weit sind bei Geschäftsmodell und Produkten, aber nicht so sehr bei Industrie 4.0 – eigentlich ist das in Deutschland andersherum. Aber wir sind eher ein Montagebetrieb, wo man nicht so wahnsinnig viel digitalisieren kann. Da baut ein Mensch ein Gerät. Wir haben seit einiger Zeit aber eine Digital Unit, die sich auch um Prozesse kümmert.

Lauda ist als Lieferant für die chemische Industrie gestartet – und bedient heute auch Automotive, Halbleiter- und Luftfahrtbranche. Wie gelingt der Spagat?

Wir haben ein so umfassendes Programm, dass oft ein vorgedachtes Produkt infrage kommt. Man kann dann über Modifikation sprechen. Was Wahnsinn ist: Wir bekommen unwahrscheinlich viele Aufträge aus dem Automobilbereich, die alle mit Elektromobilität zu tun haben. Da muss enorm viel temperiert und simuliert werden. Wie lange hält so eine Batterie? Oder: Wie ist der Einfluss von Temperatur auf Batterien? Wir simulieren bei Materialtests in wenigen Wochen 30 Jahre.

Ihr Vater ist und Ihr Großvater war Physiker. Sie dagegen sind Wirtschaftswissenschaftler, haben zunächst im Markenmanagement von Mondelez gearbeitet. Welcher Weg ist der bessere?

Ich habe durchaus versucht, in meiner Jugend Dinge anders zu machen als meine Eltern. Und ich fand das auch nicht immer cool, in einer ländlichen Umgebung aufzuwachsen. Ehrlich gesagt wollte ich eine andere Karriere verfolgen. Markenartikel fand ich gut, ich wollte gerne ins Ausland. Ich habe dann diesen Traumjob bekommen, Mondelez hatte gerade den deutschen Marketingpreis gewonnen – es ging um die Marke Milka.

Warum sind Sie doch zurückgekehrt?

Der Appetit auf Familienunternehmen kam auch durch Frust beim Konzern. Ich war auch als Student schon selbstständig, da hatte ich eine kleine Werbeagentur. Ich habe gemerkt, dass ich nicht so der Konzerntyp bin, und fand dann Konsumgüter auch etwas zu schnelllebig. Fakt ist schon, dass ich es hier am Anfang doch schwer hatte ohne technische Ausbildung. Ich habe das durch viel Fleiß einigermaßen wettgemacht und mir dann durchaus die Anerkennung der Ingenieure verdient.

 

Das Unternehmen

Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Gunther Wobser, 49, führt als geschäftsführender Gesellschafter die Lauda Dr. R. Wobser GmbH & Co. KG in dritter Generation. Mit rund 500 Beschäftigten erwirtschaftete der Spezialist für Geräte und Anlagen zur exakten Temperierung zuletzt 90 Millionen Euro Umsatz. Das 1956 als Messgerätewerk gegründete Unternehmen ist weltweit an zwölf Standorten tätig. Hauptsitz ist Lauda-Königshofen im nördlichen Baden-Württemberg.