Kennen Sie den Werbespot der US-amerikanischen Ally Bank? „Kann ich ein Eis haben?“, fragt da ein wartendes Kind. „Nein“, sagt der Eiskrem-Verkäufer, „mein Eis ist nur für neue Kunden“. Und nur das jetzt herbeihüpfende Kind bekommt dann auch tatsächlich ein dickes Schokoeis. Im wahren Leben ist es nicht selten genauso: Neue Kunden bekommen bei vielen Anbietern die tollsten Goodies, bestehende treue Kunden hingegen bekommen: nichts.
Kaum ist die Tinte trocken, hat das Werben ein Ende. Nun soll sich der neue Kunde in die vorgedachten Abläufe fügen. Nehmen wir nur mal Sachversicherungen. Was hört man nach der Unterschrift? Nur noch Negatives: Rechnung, Mahnung, Beitragserhöhung, Erstattungsprobleme im Schadensfall. Oder denken wir an die Einstiegstarife der Strom-, Zeitschriftenabo-, Mobilfunk- und Kabel-Anbieter. Manager sehen anscheinend nur das, was sie gewinnen – nicht aber das, was sie verlieren. Milchmädchenrechnung nennt man sowas.
Denn solches Vorgehen ist nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. Während man nämlich vorne fleißig mit Baggern beschäftigt ist, laufen einem hinten die eigenen Kunden weg. Die haben inzwischen bemerkt: Treue zahlt sich nicht aus. „Was ist drin, wenn ich kündige, und wie hole ich am meisten dabei raus?“ Das ist heutzutage eine gängige Frage an die Web-Community. Wir alle haben gelernt: Wenn wir den Quengelfaktor erhöhen, gibt’s Gutes. Die Anbieter selbst haben uns Kunden zur Untreue erzogen und zu Schnäppchen-Nomaden gemacht.
Denn niemand ist von Haus aus illoyal. Ganz im Gegenteil: Wir Menschen sind soziale Wesen – und zu Gemeinschaften gehört immer auch Loyalität. So bevorzugen wir das, was wir schon kennen, den, dem wir vertrauen und diejenigen, bei denen unsere Erfahrungen positiv sind. Und: Wir wollen niemals enttäuscht werden. Doch Zweiklassengesellschaft herrscht nicht nur beim Kundenstatus, sondern auch zwischen Innen- und Außendienst. Die Kundenjäger sind die Helden vom Dienst. Sie werden hofiert, bestens trainiert und fürstlich entlohnt. Die internen Kundenbetreuer werden hingegen ins Back-Office verfrachtet. Oder wir finden sie eingepfercht in großen Callcentern wieder. Erzielte Verkaufsabschlüsse werden unternehmensseitig oft wie ein Endpunkt betrachtet, aus Sicht des Kunden aber sind sie ein Start: Der Beginn einer hoffentlich langen, wunderbaren Freundschaft, über die er oft und gerne spricht. Wenn das die Unternehmen nur endlich auch so sähen.
Denn das größte Vermögen, das ein Unternehmen besitzt, ist die Loyalität seiner Kunden. Je länger es einen rentablen Kunden hält, desto mehr Gewinn kann es durch ihn erzielen. Oberstes Ziel sollte es daher sein, möglichst keinen einzigen Kunden zu verlieren, den man behalten will. Natürlich ist auch das Neugeschäft wichtig, aber nur dann, wenn man es nicht auf Kosten seiner Bestandskunden macht. Denn Vorsicht: Wer als Anbieter nicht spurt, dem kehrt man den Rücken. Und im Web erzählt man der ganzen Welt, warum das so ist. Doch wer hohen Nutzwert bietet und außergewöhnlich attraktive Leistungen erbringt, wer tiefes Vertrauen aufbaut, weil er seine Kunden gut und fair behandelt, wer sie immer wieder neu begeistert und stets in ihrer Wahl bestätigt, der bekommt Loyalität geschenkt – Loyalität jenseits der Vernunft. Denn Loyalität ist immer auch ein wenig irrational. So ganz genau kann man oft gar nicht erklären, was an einem Anbieter so überaus anziehend ist. Weil sie eine emotionale Resonanz erzeugt, ist Loyalität so rätselhaft unergründlich.
Im Marketing spricht man üblicherweise von drei Loyalitäten, die zu entwickeln sind:
· die zum Unternehmen und seinen Standorten
· die zu seinen Angeboten, Services und Marken
· die zu seinen Mitarbeitern und Ansprechpartnern
Wenn jemand zum Beispiel seiner Bank und einer speziellen Filiale wie auch seinem persönlichen Ansprechpartner seit Jahr und Tag treu verbunden bin, ohne nach rechts und links zu schielen, und wenn er das auch noch gerne weitererzählt, dann ist wahre Loyalität erreicht. In aller Regel, wenn nicht Bequemlichkeit uns übermannt, ist übrigens die Loyalität zu den Bezugspersonen am stärksten ausgeprägt. Denn Menschen kaufen von Menschen – nicht von Firmen. Der ständige Wechsel von Ansprechpartnern ist also das tödlichste Gift beim gezielten Aufbau von Kundenloyalität.
In unserer durch Social Media geprägten neuen Arbeits- und Lebenswelt kommt nun noch eine vierte Loyalität hinzu:
· Loyalität zu den eigenen Netzwerken Vor allem bei Digital Natives ist diese Loyalität ausgeprägt. Das Massenphänomen Facebook ist ein typisches Beispiel dafür. Wir Netzwerkaffinen suchen, finden, hegen und pflegen die Mitgliedschaft in solchen unsere Identität stützenden Gemeinschaften, und wir reden voller Stolz über sie. Die Verbundenheit zu deren Mitgliedern, unseren neuen Gefährten, stellen wir über andere Werte. Früher gab es solche Loyalitäten auch, doch sie waren vor allem vertikaler Natur. Man war zum Beispiel ein eingefleischter Siemensianer – ein Mitarbeiter der Firma Siemens also – und dem Unternehmen ein Leben lang treu. Solche Top-Down-Loyalitäten erodieren derzeit massiv. An ihre Stelle sind horizontal verflochtene Loyalitäten gerückt. Unsere Loyalität gehört heute den Peers, den Gleichrangigen, den lockeren Beziehungen im beruflichen und privaten Bereich.
Netzwerk-Loyalitäten entwickeln
Somit kommt Werbung, auf die zu achten es sich lohnt, nun vornehmlich aus dem Kreis engagierter Verbraucher. Und kaufbestimmend ist, was das eigene Netzwerk sagt. Nicht Hochglanzbroschüren und Firmenwebsites, sondern das Suchfeld von Google & Co. ist zunehmend der Startpunkt für eine potenzielle Kundenbeziehung – und oftmals gleichzeitig das Ende. Marken sind nur noch dann etwas wert, wenn sie aktives Unterstützungspotenzial von Freunden, Fans und Fürsprechern haben.
Wer also Netzwerk-Loyalitäten am packendsten auf sich vereinen kann, wird künftig zu den Gewinnern zählen. Insgesamt müssen jedoch alle vier Loyalitäten entwickelt werden. Bleibt eine auf der Strecke, dann wirkt sich dies auf das Treueverhalten der Kunden wie auch auf Empfehlungseffekte nachteilig aus.
Anne Schüller
Für Checklisten zur Rückgewinnung einzelner ausgewählter Kunden und größerer Kundenkreise QR-Code scannen oder uns online besuchen unter: creditreform-magazin.de/heft
· Manche Unternehmen sind so sehr mit der Neukundengewinnung beschäftigt, dass Bestandskunden oft das Gefühl haben, nur noch „zweite Klasse“ zu sein.
· Kunden fehlt oft die so wichtige emotionale Aufmerksamkeit. Zeigen Sie daher Akzeptanz, Anerkennung, Wertschätzung und Respekt – immer wieder neu und auf pfiffige Weise. Bedanken Sie sich ausdrücklich, persönlich und ehrlich für jeden Kauf beziehungsweise für jede Transaktion. Für ein Danke braucht es kein Budget.
· Dem Kunden nichts aufzwingen: Lassen Sie ihn selbst entscheiden, wer ihn wie oft und auf welchem Weg kontaktieren darf. Aktualisieren Sie kontinuierlich alle kundenrelevanten Informationen in Ihrer Datenbank und ergänzen sie diese sukzessive um emotionale Details.
· Bei jeder Unzufriedenheit denkt der Kunde sofort über einen Wechsel nach. Beugen Sie also Unzufriedenheit vor, indem Sie eine fokussierende Frage stellen, etwa wie folgt: „Wenn es eine Sache gibt, die wir für Sie noch ein wenig besser machen können, was wäre das Wichtigste?“ Entwickeln Sie ein Frühwarnsystem mit typischen Anzeichen für Abwanderungsbereitschaft.
· Gehen Sie mit Reklamationen professionell um. Schlecht oder gar nicht bearbeitete Reklamationen sind ein Hauptgrund für Kundenfluktuation. Denken Sie nicht nur an den Ausgleich des tatsächlichen Schadens, sondern geben Sie auch eine emotionale Wiedergutmachung.
Quelle: www.kundenrueckgewinnung.com