Machtspiele am Arbeitsplatz sind nicht nur unproduktiv, sie kosten auch viel Kraft. Mitarbeitercoaches wissen: Wer sich vor Burnout schützen will, kann zu 80 Prozent ein guter Mensch sein, muss aber zu 20 Prozent bissig agieren. Fünf typische Arbeitssituationen – und wie Betroffene darauf reagieren sollten.
Ihre Kollegen versuchen, Ihre Autorität zu untergraben? Sie kassieren böse Sprüche, ohne zu parieren? Und Ihr Vorgesetzter brummt Ihnen ständig Zusatzaufgaben auf? „Dann wird es Zeit, den Widersachern mit mehr Biss zu begegnen“, sagt der Hamburger Aggressionsforscher und Managementtrainer Jens Weidner. Zehn Jahre lang arbeitete der Kriminologie-Professor und Erziehungswissenschaftler mit Gewalttätern. Er weiß: Täter können sich zum Besseren bekehren.
Umgekehrt können es aber auch Schäfchentypen schaffen, Machtspielen im Büro mit mehr Souveränität und Durchsetzungskraft zu begegnen. „Jeder verfügt über ausreichend natürlichen Biss, um unfairen Kollegen Paroli zu bieten“, sagt Weidner. Der Kölner Psychologe Hans-Christian Heiling bestätigt: „Die meisten von uns sind dazu erzogen worden, die Regeln zu befolgen. Auf Gegenwehr umzuschalten und Nein zu sagen, kommt ihnen wie Verrat vor, was dem Gefühl von Todesangst sehr nahe ist.“
Doch wer die Strukturen im Job erst einmal durchschaut hat und seine Ängste überwindet, ist am Ende oft überrascht, wie schnell konstruktiv eingesetzte Aggression einem den Respekt der anderen verschafft. Wie das funktioniert, zeigen die folgenden Beispiele aus dem Karriereratgeber von Jens Weidner:
Situation 1
Ein Kollege will Ihnen eine zusätzliche, vermutlich schwer zu lösende Aufgabe aufschwatzen und umgarnt Sie: „ Sie kennen sich auf diesem Gebiet doch so gut aus und haben immer so gute Ideen!“ Jetzt sollten bei Ihnen die Alarmsirenen schrillen! In jedem Büro gibt es Menschen, die genau wissen, welche Knöpfe sie drücken müssen, um andere für sich arbeiten zu lassen. Aber wenn anderswo Not am Mann ist, erweisen sie sich selbst so gut wie nie als Teamplayer.
Bremsen Sie ihn mit der Kunst des höflichen Nein-Sagens aus: „Ihr Lob freut mich natürlich. Aber leider kann ich diese Aufgabe heute nicht mehr erledigen“ oder „Ich fühle mich geehrt, dass Sie an mich denken, aber mein Terminkalender ist leider komplett voll“. Zudem sollten Sie Folgendes beherzigen, wenn Sie als Schäfchentyp bisher Gefahr liefen, öfter übervorteilt zu werden: Arbeiten Sie in letzter Konsequenz etwas weniger präzise, sagen Sie nur mürrisch etwas zu und zeigen Sie keinen vorauseilenden Gehorsam.
Man muss noch lange kein Ellenbogen- Karrierist sein, um sich durchzusetzen. Machtspieler lieben Opfer mit dem geringsten Widerstand. Nur wer sich wehrt, kann der Opferrolle entgehen.
Situation 2
Sie sind für das Meeting zwar – wie immer – bestens vorbereitet. Doch dann stellt Ihnen ein Kollege – nur um Sie bloßzustellen – eine absolute Spezialfrage, bei deren Beantwortung Sie garantiert ins Schwimmen geraten.
Führen Sie Buch über Kollegen, die es nicht gut mit Ihnen meinen. Vergessen und verzeihen Sie ihnen nie eine Gemeinheit. So fallen sie kein zweites Mal auf ihre Widersacher herein und vermeiden es, ihnen aus Versehen zu Hilfe zu eilen – denn das wird von ihnen als Schwäche interpretiert. Aktivieren Sie Ihr Netzwerk: Bitten Sie einen Ihrer Verbündeten, sich bei der nächsten Präsentation sofort einzuschalten, sollten Ihre Widersacher erneut versuchen, sie unkundig aussehen zu lassen. Zum Beispiel mit den Worten, dass „die gerade aufgeworfene Frage Zeitverschwendung ist und vom eigentlichen Thema ablenkt“.
Ohne Netzwerk sind Sie schutzlos und vom Wohlwollen oder der Aversion der Leitung und der Kollegen abhängig. Gleichgesinnte springen dagegen für Sie in die Bresche, wenn Sie selbst dazu nicht in der Lage sind.
Situation 3
Ihnen wird in einem Meeting Ihre kritische Haltung gegenüber einem Projekt um die Ohren gehauen – vor versammelter Mannschaft. Dabei hätte Ihr Kritiker die Angelegenheit zuvor problemlos im Vieraugengespräch mit Ihnen klären können.
Legen Sie sich kleine Schlagfertigkeiten zu, die so allgemein gehalten sind, dass sie sich in jeder Situation anwenden lassen, und gehen Sie in zwei Schritten vor. Erstens: Kontern Sie kurz, aber direkt noch im Meeting selbst: „Danke, Herr Kollege, das ist eine ganz wichtige Rückmeldung. Darüber denke ich nach.“ Und zweitens: Suchen Sie Ihren Kritiker später zeitnah auf und machen Sie ihm unter vier Augen Ihren Standpunkt klar: „Sprechen Sie bitte nie wieder so mit mir. Da bin ich überhaupt nicht offen. Wenn Sie etwas zu kritisieren haben, rufen Sie mich vor dem Meeting an, sprechen Sie das vorher mit mir ab. Dann gehen wir abgestimmt ins Meeting und ich kann mich wenigstens vorbereiten. Aber nie wieder so.“ Der Kollege wird zwar angesichts Ihrer klaren Ansage leicht verstimmt sein – dafür wird er sich aber künftig dreimal überlegen, ob er Sie noch einmal auf diese Weise vorführt.
Wer es gut mit Ihnen meint, wird Sie immer diskret auf Fehler hinweisen. Und: Wenn es zu Konflikten kommt, erleichtern klare, kurze, aber prägnante Sätze die Kommunikation erheblich.
Situation 4
In Ihrer Abteilung läuft es nicht so rund, wie die Chefetage erwartet hat – auch weil nicht genügend Ressourcen zur Verfügung standen. Einige Kollegen kommen auf Sie zu. Deren Überlegung: Mit dem Argument „Du kannst so gut formulieren und hier ist Fingerspitzengefühl vonnöten“ sollen Sie vortreten und den Vorgesetzten im Namen aller die Situation erklären.
Finger weg. Der Überbringer schlechter Nachrichten wird auch heute noch geköpft. Vergessen Sie das Gerede von flachen Hirarchien und Managern, die angeblich für Kritik offen sind. Wahr ist: Je höher jemand in der Hierarchie aufsteigt, desto größer ist die Angst, den erreichten Status zu verlieren und möglicherweise als unfähig entlarvt zu werden. Bejahen Sie stattdessen Ihr positives Verhältnis zur Macht und zur Hausspitze. Wer glaubwürdig seine Loyalität bekundet (selbst wenn er nicht zu 100 Prozent dazu steht), braucht keine Angst vor Attacken der Führung zu haben.
Der Hierarchie ist nicht zu entkommen – auch wenn sie noch so subtil verschleiert wird.
Situation 5
Ein Projekt ist gescheitert und zum wiederholten Mal wird ein und dieselbe Person dafür verantwortlich gemacht: Sie.
In jedem Team werden die immer gleichen Rollen verteilt. Wer Einfluss gewinnen will, muss herausfinden, welchen Status er in der Gruppe hat. Der Anführer ist der lächelnde Sieger. Die graue Eminenz die Macht im Schatten. Der Leutnant der loyale Wadenbeißer. Der Mitläufer der anpassungsbereite Dienstleister. Der Isolierte der teamunfähige Querulant. Die Dyaden zwei unwichtige Kollegen, die sich gegenseitig stützen. Der Laufjunge die Servicekraft. Der Sündenbock der ewige Verlierer.
Um zu vermeiden, selbst zum Sündenbock erklärt zu werden, hilft nur eines: Lassen Sie dem Sündenbock seine Rolle und akzeptieren Sie, dass es in den meisten Teams einen gibt. Leider!