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Creditreform

Eine Befragung von Creditreform und KfW Research zur Unternehmensnachfolge zeigt, dass für viele Mittelständler die Zeit knapp zu werden droht. Die Chefs werden immer älter, Nachfolger sind seltener in Sicht.

Zum Beispiel Gertrud K.: Vor drei Jahren hat die Inhaberin eines Autohauses mit mehreren Filialen im Großraum Nürnberg ihren 60. Geburtstag gefeiert. Ein Datum, zu dem sie nach früheren Planungen längst Klarheit über ihre Nachfolge haben wollte. Passiert ist seitdem – nichts. Oft war das Tagesgeschäft so zeit- und kräftezehrend, dass sie keine Muße hatte, sich dieses Themas anzunehmen. Und die zwei, drei losen Gespräche, die sie mit Interessenten führte, mit denen sie eher zufällig in Kontakt gekommen war, endeten immer schnell, wenn es um einen möglichen Kaufpreis ging. „Unsere Vorstellungen lagen jedes Mal weit auseinander“, erzählt die Unternehmerin, die den Betrieb einst von ihrem Vater übernommen hatte.

So wie Gertrud K. geht es vielen älteren mittelständischen Unternehmern in Deutschland: Sie beschäftigen sich erst spät mit ihrer Nachfolge und stoßen auf Probleme. Allmählich aber duldet das Thema keinen Aufschub mehr – allein aus demografischen Gründen. Nach Zahlen des KfW-Mittelstandspanels, einer jährlichen Erhebung zur Struktur und Entwicklung des Mittelstands in Deutschland, ist der Anteil der über 55-jährigen Firmeninhaber zwischen 2002 und 2014 von 20 Prozent auf 35 Prozent gestiegen. Die Folge: Der Anteil mittelständischer Unternehmen mit kurzfristig anstehender Nachfolge hat sich allein in den vergangenen drei Jahren deutlich erhöht: von 14 Prozent (oder 530.000 Unternehmen) auf 17 Prozent (620.000 Unternehmen).

Das wäre nicht weiter schlimm, wenn dem gestiegenen Angebot an zu übergebenden Firmen eine ebenso große Nachfrage gegenüberstehen würde. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Wenn sich die geburtenstarke Generation im Laufe der nächsten 15 Jahre aus dem Erwerbsleben zurückzieht, wird sie auch auf den Chefsesseln im Mittelstand eine große Lücke hinterlassen. Die nachfolgenden Generationen sind deutlich kleiner. Im Jahr 2000 standen einer Person zwischen 55 und 70 Jahren noch 2,6 jüngere Deutsche (zwischen 20 und 54 Jahren) gegenüber – im Jahr 2030 werden es voraussichtlich nur noch etwa 1,8 sein, so die Prognosen.

Hinzu kommt: Das ohnehin schon schrumpfende Nachfolgepotenzial wird auch schlechter ausgeschöpft als in der Vergangenheit. Nach einer aktuellen Analyse der KfW bewegt sich das Gründungsgeschehen in Deutschland bereits seit mehreren Jahren auf niedrigem Niveau. Das gilt auch für Gründungen, bei denen ein bestehendes Unternehmen übernommen wird. Im Jahr 2000 verzeichnete der KfW-Gründungsmonitor mehr als 200.000 solcher Übernahmegründungen; 2015 sind es nur noch 62.000 Fälle. „Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass zahlreiche Mittelständler mit der Übergabe in Verzug geraten“, meint Arne Leifels, Senior Economist bei KfW Research und Autor der Untersuchung zum Nachfolgebedarf im Mittelstand (Leifels, Arne, 2016: Alterung erhöht Nachfolgerbedarf im Mittelstand: 620.000 Übergaben bis 2018, Fokus Volkswirtschaft Nr. 132, KfW Research, Frankfurt am Main).

Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen

Eine gemeinsame Befragung von KfW Research und Creditreform zeigt: Erst bei 42 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen, deren Übergabe in den nächsten drei Jahren stattfinden soll, läuft der Nachfolgeprozess bereits. 22 Prozent befinden sich zumindest in konkreten Planungen. Doch 25 Prozent haben sich bisher lediglich zu dem Thema informiert und elf Prozent haben sich noch gar nicht mit der Problematik beschäftigt. Damit droht für mehr als ein Drittel der anstehenden Unternehmensnachfolgen die Zeit knapp zu werden. „Die Übergabe eines Unternehmens ist ein langfristiges Unterfangen, das sorgfältig vorbereitet werden muss“, betont Leifels.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rät übergabewilligen Unternehmern, drei bis zehn Jahre vor dem geplanten Datum damit zu beginnen, ihre Firma fit für die nächste Chefgeneration zu machen. Also etwa zu prüfen, wo Investitionsbedarf besteht, ob die Organisation noch passend ist und ob Zulieferer und Finanzierungspartner stimmen. „Die Braut schmücken“ nennen die DIHK-Experten diese Phase.

„Die Übergabe ist ein langfristiges Unterfangen, das sorgfältig vorbereitet werden muss.“ Arne Leifels, KfW Research

Frühere Untersuchungen von KfW Research haben indes gezeigt, dass Investitionsentscheidungen älterer Unternehmer auf besondere Weise unsicherheitsbehaftet sind. Denn die Erträge fließen teilweise erst nach dem Rückzug aus dem Unternehmen – an den Nachfolger. Wenn der Verkauf des Unternehmens geplant ist, stellt sich die Frage, ob Kaufinteressenten Investitionsrenditen ähnlich einschätzen, sodass sie sich entsprechend im erzielbaren Kaufpreis niederschlagen.

Unterm Strich gilt: Spätestens drei Jahre vor der absehbaren Übergabe sollte der Senior mit der konkreten Suche nach einem Übernehmer beginnen.

Mehr als die Hälfte denkt an Nachfolger aus der Familie

Doch wer kommt als Nachfolger infrage? Deutlich mehr als die Hälfte des Mittelstands zieht laut KfW-Untersuchung die Übergabe an ein Familienmitglied in Betracht. Einen externen Käufer (Gründer, ein anderes Unternehmen oder Finanzinvestoren) können sich 48 Prozent der Inhaber vorstellen. Die Übergabe an Miteigentümer oder Mitarbeiter kommt für 43 Prozent in Betracht.

Planung und Durchführung einer Unternehmensnachfolge sind komplexe Vorgänge mit zahlreichen organisatorischen und (steuer-)rechtlichen Fallstricken. Entsprechend groß ist der Informationsbedarf im Vorfeld und während der Übergabe. Die Creditreform/KfW-Befragung zeigt: Zentrale Anlaufstelle sind die Kammern und Unternehmensverbände. Sie unterstützen ihre Mitglieder mit Informationsmaterial, Seminaren und Beratungsgesprächen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gelungene Übergabe befinden sich aus Sicht des Mittelstands jedoch am Ende des Weges: die intensive Einarbeitung des Nachfolgers sowie die Pflege von Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Auch bei der Belegschaft muss für „den Neuen“ oder „die Neue“ um Vertrauen geworben werden.

Unternehmensübergaben sind notwendigerweise mit Bürokratie verbunden, insbesondere mit zahlreichen Informations- und Meldepflichten. Das betrifft zum Beispiel die Finanzverwaltung (Einkommen-, Erbschaft-, Grunderwerbsteuer), Gewerbeämter, Amtsgerichte (Handelsregister, Grundbuchamt), Kammern, Berufsgenossenschaften sowie Arbeitsagenturen oder gar Arbeitsgerichte. In diesem Bereich des Nachfolgeprozesses sieht der Mittelstand mit Abstand den größten Unterstützungsbedarf. Zwei Drittel der von KfW und Creditreform befragten Unternehmen wünschen sich Entlastung von bürokratischem Aufwand.

So weit ist Gertrud K. noch lange nicht. Sie muss sich sputen, damit sie den richtigen Zeitpunkt des Abschieds nicht völlig verpasst, und endlich gezielt nach einem Nachfolger Ausschau halten – und dabei nicht den Fehler machen, beim Kaufpreis emotionale Faktoren miteinzupreisen. Die wird niemand bezahlen, so schmerzlich das auch für sie ist.