Viele Unternehmen, auch im Mittelstand, haben inzwischen Nachhaltigkeitsbeauftragte und erstellen Umweltberichte. Reicht das aus?
Dass zeigt zunächst, dass das Thema Relevanz hat. Aber Nachhaltigkeit in der Unternehmenswirklichkeit zu verankern, erfordert mehr als Kommunikation. Daher spreche ich lieber von „Nachhaltig gemeinsamer Wertschöpfung“. Das steht für das unternehmerische Bekenntnis, das Kerngeschäft in allen Aspekten so zu gestalten, dass ökonomischer, ökologischer und sozialer Mehrwert entsteht. Nachhaltigkeit innerhalb des Kerngeschäfts zu verankern bedeutet, es in Produkten und der Wertschöpfungskette gleichermaßen zu verankern. Es geht keinesfalls darum, den Forderungen externer Gruppen nach Nachhaltigkeit durch oberflächliche Berichte zuvorzukommen. Richtig verstanden birgt Nachhaltigkeit Wachstumschancen. Supply Chainer und CSR-Leute haben viele gemeinsame Ansatzpunkte.
Nämlich? Was können CSR-Verantwortliche von Supply Chain-Experten lernen und umgekehrt?
CSR-Verantwortliche machen in der externen Kommunikation meist einen guten Job. Aber im Innenverhältnis hapert es oft. CSR-Verantwortliche müssen bei den Supply-Chain-Leuten Gehör finden. Das können sie nur, wenn sie die wirtschaftlichen und Supply Chain-spezifischen Argumente kennenlernen. Die Supply Chainer wiederum können lernen, welche normativen Vorgaben zu beachten sind, um relevante Ergebnisse zu erreichen.
Welche konkreten Vorteile ergeben sich durch die Umsetzung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft, besonders für KMU?
Die Gründe, sich mit nachhaltig gemeinsamer Wertschöpfung zu beschäftigen, sind so vielfältig wie der wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Nutzen, der sich realisieren lässt: Umsatzsteigerungen durch höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte, geringere Risiken durch gutes Umweltmanagement aufgrund geringerer Versicherungsprämien, besserer Zugang zu Kapital, weniger Krankheitstage. Zusätzlich kann die Reputation des Unternehmens verbessert werden. Das ist alles für KMU relevant! Hinzu kommt die aus der Vernetzung globaler Supply Chains erwachsende Logik. So gut wie jedes Unternehmen, auch Kleinunternehmen und Mittelständler, sind heute etwa als Lieferant in weltweite Supply Chains eingebunden. Der Druck des Konsumenten wird die globalen Multis zur Nachhaltigkeit zwingen, mit der Folge, dass auch bei der Lieferantenauswahl die Sicherstellung nachhaltige Prozesse eine Rolle spielen wird. KMU investieren qua Nachhaltigkeit in ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Auf welche Schwierigkeiten treffen KMU denn Ihrer Erfahrung nach?
Für den Mittelstand ist die Vielzahl an Standards und der damit verbundene Berichtsaufwand eine Herausforderung. Fragebögen mit mehreren hundert Fragen stellen ein Problem dar. Oft fehlen Daten, und der Bearbeitungsaufwand ist hoch. Das muss vereinfacht werden. Ein Trugschluss ist jedoch, dass die Möglichkeiten von KMU zur Schaffung nachhaltiger Wertschöpfung im Gegensatz zu Großunternehmen begrenzt sind.
Sondern? Was raten Sie den KMU?
Klein starten und von Anfang an so konkret und spezifisch wie möglich zu sein. Auch für große Unternehmen ist die weitgehende Umsetzung von nachhaltig gemeinsamer Wertschöpfung eine lange Reise. Wenn heute zehn Prozent der Rohstoffe nachhaltig beschafft werden und im nächsten Jahr 15 Prozent, ist das ein Erfolg.
Welche Entwicklungen sehen Sie in Zukunft?
Die Brücke zwischen der heutigen Art des Wirtschaftens und nachhaltiger gemeinsamer Wertschöpfung wird in den Produktentwicklungsabteilungen der Unternehmen und den lokalen, regionalen und globalen Wertschöpfungsketten liegen. CSR, Produktentwicklung und Supply Chain Management werden zu einem integrierten Ansatz verschmelzen und der Mittelstand dabei eine Führungsrolle einnehmen, weil er agiler als die Großunternehmen ist.
Die Fragen stellte Ingo Schenk