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Creditreform
Schreibtisch auf Zeit_02

Einen Schreibtisch für halbe Tage gibt es im Hamburger Coworking Space Werkheim. Der Preis: elf Euro. © Werkheim

Für Bürogemeinschaften, neudeutsch Coworking Spaces, interessieren sich immer mehr Gründer, Freiberufler und mittlerweile auch Konzerne. Sie schätzen die kreative und kommunikative Atmosphäre, die Flexibilität und die niedrigen Kosten. Text: Eli Hamacher

Wenn Jon Sykes morgens zur Arbeit kommt, ist es ihm ziemlich egal, wo er einen Schreibtisch findet. Auch ein bisschen lauter darf es ruhig sein. „Dann kann ich mich besser konzentrieren“, sagt der Inhaber der Kreativagentur Us Berlin. Mit anderen Freiberuflern übernimmt der 33-Jährige Aufträge für Webdesign. Je nach Kundenwunsch und Umfang ist sein Team mal größer, mal kleiner.

„80 Prozent meiner Arbeit laufen online“, sagt er. Deshalb spielt es keine Rolle, wo er sitze. Nur von zu Hause würde er niemals arbeiten. Anfang 2015 hat sich der Gründer deshalb im Betahaus in Berlin eingemietet und umgibt sich seitdem mit zahlreichen Gleichgesinnten. Flexibel, günstig und kommunikativ, so wünschen sie sich ihren Arbeitsplatz. Und haben ihn in einer Bürogemeinschaft gefunden – neudeutsch Coworking Space. Was in den USA schon lange Schule machte, sorgt seit einigen Jahren auch in Deutschland für Furore. Nach Erkenntnissen der „Global Coworking Survey“-Studie gibt es weltweit mehr als 7.800 Coworking Spaces. „30.000 könnten es in fünf Jahren sein“, schätzt Betahaus-Mitgründer Maximilian von der Ahé. Gab es in Berlin im Jahr 2010 gerade mal drei Standorte, listet die Plattform www.coworking.de mittlerweile schon 63 Adressen an der Spree. Aber auch deutschlandweit werden moderne Büronomaden fündig.

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Interessante Links zu Coworking Spaces, etwa von Unternehmen und Wirtschaftsförderungsgesellschaften, finden Sie in der App oder unter creditreformmagazin.de/coworking

In der Regel pflegen die Büro-WGs die Kunst des Minimalismus. Im Angebot haben sie, was Selbstständige unbedingt benötigen, und lassen weg, was nicht sein muss. So soll genau jene Klientel angelockt werden, die volle Flexibilität braucht. Zum Standardprogramm gehören Schreibtische, freies WLAN, Drucker, Kopierer, Scanner, Fax – und ein Café. Dem Berliner Betahaus ist mit diesem Konzept inzwischen ein respektabler Aufstieg gelungen. Auf mittlerweile 4.000 Quadratmetern finden Kurzzeitmieter heute eine quirlige Arbeitsatmosphäre vor.

Das Interieur ähnelt zwar immer noch einer leicht chaotischen Studenten-WG mit zusammengewürfelten Möbeln, einer ausrangierten gelben Telefonzelle für ungestörte Gespräche, einer Lümmelecke mit Minibibliothek und einer kleinen Küchenzeile. Doch hinter der wuseligen Kulisse arbeitet Betahaus-Betreiber von der Ahé eifrig an der Professionalisierung des Coworking-Konzepts. Bei einem weltweiten Beta-Pitch haben in diesem Jahr mehr als 1.000 Startups ihre Geschäftsmodelle vor potenziellen Investoren präsentiert. Den Gewinnern winken Kooperationen zu finanzstarken Partnern wie Siemens oder Airbus. Konzerne wie die Deutsche Bahn übernehmen Industriepartnerschaften für ansässige Startups und nutzen die kreative Atmosphäre des Hauses, um Innovationen voranzutreiben. So begegnen einem nicht nur Jungunternehmer in Hoody und Jeans, sondern auch Topmanager in feinem Zwirn, die auf der Suche nach interessanten Ideen und Geschäftsfeldern sind. Recht ähnlich, wenn auch etwas beschaulicher, geht es im Hamburger Werkheim zu. Schon seit 2011 gehört der Psychologe Gunnar Thiemann zu den Mietern. Für den Personalberater gilt dieselbe Devise wie für Sykes: kein Homeoffice. „Zu Hause wäre ich viel zu stark abgelenkt“, sagt der 40-Jährige, der mittlerweile auch noch eine Firma für die Produktion von persönlichen Lebensgeschichten gegründet hat. Thiemann schätzt vor allem die kreative Energie im Werkheim und die Chance, intensiv zu netzwerken. „Wir arbeiten ja nicht nur miteinander, sondern häufig auch füreinander.“

Auf knapp 1.300 Quadratmetern vermietet der Hamburger Coworking Space 123 Arbeitsplätze, wobei Manager Wolfgang Lebrecht darauf achtet, dass der Branchenmix stimmt. „Es kommt immer wieder vor, dass jemand einen Engpass hat und sich dann umhört, ob ein anderer Coworker oder auch mehrere einspringen können“, sagt Thiemann. Wie in Berlin schließen die Hamburger bei größeren Aufträgen vorab Verträge untereinander. Miteinander, nicht gegeneinander – auch das schätzen Sykes und Thiemann am Coworking.

EIN ARBEITSPLATZ FÜR ELF EURO
Auch bei Bürogemeinschaften lohnt es sich, die Preise, angebotenen Dienstleistungen und Vertragsbedingungen (etwa Kündigungsfristen) der verschiedenen Standorte zu vergleichen. Die Konditionen variieren zum Teil stark. Die folgenden zwei Beispiele zeigen, was Coworking-Plätze kosten:

Betahaus, Berlin. Ein Tagesticket für einen Schreibtisch und Internetzugang gibt es schon für 15 Euro. Die Preise für Monatstickets variieren je nach Nutzungsdauer und Art des Arbeitsplatzes. 89 Euro zahlt man für einen freien Schreibtisch für zwölf Tage im Großraumbüro. Für 159 Euro kann man täglich kommen, muss aber wie beim Teilzeitticket Platz nehmen, wo gerade ein Stuhl frei ist. 299 Euro zahlen Teams für einen separaten Raum. Die teuerste Variante beinhaltet zudem ein Besprechungszimmer für zehn Stunden im Monat, Postservice, Schließfächer und jederzeitigen Zugang.

Werkheim, Hamburg. Der ehemalige Reemtsma-Manager Wolfgang Lebrecht bietet Halbtagestickets für elf Euro an. Im Zehnerpack gewährt Hamburgs ältester Coworking Space sogar Rabatt (90 Euro). Im Monatsticket für 199 Euro sind drei Stunden Konferenzraum-Nutzung, ein freier Platz und ein Schließfach enthalten. Wollen Mieter rund um die Uhr Zugang haben, zahlen sie 100 Euro mehr.